Gedächtniskünstler und Suggesteure 18.9.10

Sehr geehrte Frau Birkenbihl, Ich bin stolzer Besitzer von 4 ihrer Bücher und 2 Sprachlernkurse und Nutzer vieler Online Vorträgen. Ich möchte mich an dieser Stelle einmal ganz herzlich für all ihre Mühen bedanken! Ich wende mich nun erstmals an sie, obwohl Sie ja schon so viel mit mir gesprochen haben...
Ich bin ein großer Fan der Serie the Mentalist mit Patrick Jane. (Ich hoffe sie kennen diese Serie, sonst wird es schwer auf meine Frage zu antworten.)
============ ein oder zweimal hineingeraten, kennen: NEIN

Er ist ein Gedächtniskünstler und Suggesteur. Er stellt eine Person dar, die eine außergewöhnliche Beobachtungsgabe und eine ungewöhnlich gute Menschenkenntnis hat. Er nutzt ein bisschen Hypnose und NLP ein paar Gedätnisstechniken   (Mnemonik) und mit seiner Fähigkeit, Bauchgefühl-inhaltlose Fakten-und erworbenes Wissen zu verknüpfen löst er jeden Mordfall in exakt 45 Min ;0). (Hat etwas von  Columbo, von dem sie ja bekanntlich Fan sind!)
============ das scheint eine ausgezeichnete beschreibung zu sein. welcher sender, wann? dann passe ich in zukunft einmal ein wenig auf. ich gucke solches zeug am liebsten nach 00:00, wenn ich im nacht-modus bin...

Auch wenn sicher viel davon überzogen ist, würde mich es trotzdem interessieren, ob man ihrer Meinung nach, solche Leistungen, die er jeden Sonntag demonstriert auch trainieren kann. Sind ihnen im Laufe ihres Lernweges Menschen mit diesen (fast) übernatürlichen Begabungen begebnet?
========= nehmen Sie LIE TO ME, auch hier geht es um ausgez. beobachtungsgabe. es gibt eine junge frau, die das ziemlich intuitiv kann (naturtalent, nach howard-gardener die intelligenz nr. 6: inter-personell), aber der chef der gruppe mußte es mühsam lernen (wie der mann, der diesen forschungszweig de facto ERFAND, er und ein kollege mußten 8 jahre üben, um alle grund-mienen nachzubauen, erst danach konnten sie damit beginnen, diese 60 mienen (von denen 2/3 keine konkrete aussage beinhalten), gefühlen zuzuordnen. fazit: das gesicht kann nicht (wirklich) lügen, der körper (gestik) teilweise schon... Paul Ekman, auf dessen forschung die serie aufbaut ist auch beratend dabei). also ja, man kann solche dinge trainieren, allerdings ist es ähnlich wie für pianisten, tennis-cracks etc.: extrem außergewöhnliche leistungen benötigen in der regel 10.000 trainings stunden (vgl. GLADWELL: überflieger, er berichtet von solchen studien. u.a. in deutschland). vor einer generation hat ein anderer forscher namens BLOOM dasselbe herausgefunden, bezogen auf pianisten, olympische schwimmer, aber auch auf forscher (Nobelpreis).

Und wenn ja welche Denktools nutzen diese ihrer Meinung nach? Was macht Menschen so unheimlich präsent und wach, dass sie Kleinigkeiten und scheinbar unwichtige Dinge sehen und kombiniern können?
============= sie können den übungs-zyklus in meinem "klassiker" SIGNALE DES KÖRPERS (ca. 50 beobachtungs- und weitere übungen) hierfür einsetzen, nur daß es Ihnen mehr um MIKRO-signale geht (über die ich im anhang auch berichte, wiewohl dieses buch erstmals ca. 1979 erschienen war! damals wußten nur fachleute davon, heute wird es allgemeingut und rutschte in solche TV-serien, die dieses wissen noch weiter verbreiten. spannend, gell?

So dargestellt ähnelt er ja fast einem Savant nur einem, der seine Fähigkeit nach belieben nutzen kann. Was glauben sie wieweit können wir unser Gehirn noch nutzen? Was kann man noch an scheinbaren Wundern erreichen?=
======== da kommt noch sehr viel, wir haben noch nicht begonnen. vgl. Sie den menschen der ersten 1 - 3 millionen jahre, der nur durch immer besser werdende UNTERSCHEIDUNGSFÄHIGKEITEN immer mehr über die welt (eßbar, gefährlich, spuren von...?) lernte. der mensch der letzten 100.000 jahre gewann ein wenig extra zeit und konnte beginnen, seine instrumente (und waffen) zu verbessern. seit ca. 10.000 jahren kennen wir den (modernen) ackerbau und wieder wurde zeit gewonnen, so wurde die ausbildung immer länger (allerdings ist sie derzeit nur noch fürs industrie-zeitalter geeignet, in den nächsten 15 jahren wird der wechsel zu einer ausbildung fürs wissenzeitalter stattfinden). die ersten menschen konnten wolken "lesen", spuren, landschaften etc. seit 6000 jahren gibt es bilderschriften, seit 4000 jahren schriften, die das klangsystem transkribieren (analog einer notenschrift). seit ca. 200 jahren gibt es schriftsysteme, mit denen anthropologen kleinste gesten schriftlich fixieren können, seit ca. 100 jahren können wir menschen filmen und den film hinterher (mehrfach) anschauen, dann kam zeitlupe, zeitraffer etc. die aspekte, die wir differenziert wahrnehmen lernen, wurden immer mehr und so gibt es immer mehr menschen, die sie erlernen können. momentan hindert uns das schulsystem noch (vgl. das großartige buch von john taylor GATTO "dumbing us down", das es inzwischen auch auf deutsch gibt: Ver-DUMM-t nochmal). also, wir stehen noch ganz am anfang...
vfb

Vielen Dank für diesen Ausflug in ihre Gedankenwelt.

André Schumacher