Quelle für Recherche 16.01.10
Liebe Frau
Birkenbihl, vielen Dank für die vielen tollen Einfälle, die Sie durch Ihre
Bücher und DVDs publizieren. Mich interessiert, welche vertrauenswürdigen
Quellen Sie benutzen, um zu den guten Ergebnissen zu kommen, wie Sie diese
auswählen und bewerten. Dieses ist meiner Meinung nach bei einem Thema mit
dem man sich nicht auskennt sehr schwer, da die Bewertungsgrundlage erst noch
geschaffen werden muss. Können Sie mir weiterhelfen?
========= also, so mache ich es:
1. es beginnt entweder mit einem artikel oder einem
buch.
2. der autor/die autorin
oder autorInnen gibt/geben die quellen an, aus
denen sie "getrunken" haben. diese zapfe ich an, wenn ich ein beispiel, eine studie, ein zitat bes. interessant finde.
3. dort finde ich weitere.
nun gibt es zwei möglichkeiten: kenne ich mich in
diesem thema schon aus, kann ich sofort
einschätzen, wie "gut" die qualität der aussage ist. anderfalls
passiert folgendes: indem ich mich durch einige der erstquellen hindurchlese,
die der autor zitiert hatte, desto mehr überblick
bekomme ich IM LAUFE DER ZEIT. das kostet umso mehr zeit,
je neuer mir dieses wissensgebiet anfänglich war.
parallel dazu suche ich (z.b. im internet) nach weiteren beiträgen,
videos etc., die das ganze "illustrieren"
und so entwickelt sich langsam mehr verständnis...
nach einer weile habe ich auf alle fälle klarere kriterien im kopf, ab dann wird
es leichter.
daraus ergeben sich gewisse spielregeln:
als LESER lese ich keine bücher, die keine quellen
angeben, dazu gehören fuß- oder end-notes und/oder lit.verz die besten bücher haben BEIDES!! in den NOTES finde ich heraus, was
an dieser textstelle wichtig ist, im alphabetisch
sortierten literaturverzeichnis kann ich mit einem
blick sehen, ob gewisse forscher, deren arbeit ich
bereits kenne, erwähnt/zitiert werden. das sagt mit eine menge
über den stand des autors.
hier merke ich z.b. mit einem blick, wenn man ein jahrealtes buch neu herausgibt, ohne zu sagen, daß es schon 10 jahre alt ist
(ist neulich passiert). weil ein autor im lit.verz. fehlte, der seit einigen jahren
unglaublich wichtig in seinem gebiet wurde... so
ein fehlen kann auch bedeuten, daß der autor des buches nicht sauber
recherchiert hat. vor einigen jahrzehnten zeigte
mit ein autor ein buch,
VOR abgabe beim verlag.
es war eine art mini-einführung
in die psyhologie, für LAIEN. ich schaue ich s. lit. verz. und sage: FREUD fehlt. er: "was?"
ich wiederhole. es dauert einen moment, bis er
begreift, wen ich meine. "naja, ich habe ihn ja nicht direkt
zitiert.", meint er dann. soso. wie kann man eine einführung
in die psych. machen, ohne den mitbegründer
moderner psychologie zu erwähnen???
beispiel: seit jahren
geisterte im internet ein textteil
herum, aus dem hervorgeht, daß man einen text lesen kann, wenn jedes wort
völlig verdreht geschrieben wurde. ich stieß auch darauf, fand es toll,
ärgerte mich über das fehlen der quelle und brauchte ca. 4 min. im internet,
um sie zu finden. deshalb finden Sie dieses beispiel
in TROTZDEM LEHREN mit quelle (überschrift
in etwa: ehct kasrs).
seither wird es immer wieder sauber zitiert, mit quelle,
ohne daß jemand zugegeben hätte, die quelle bei mir (oder aus einem meiner seminare,
vorträge etc.) gefunden zu haben. das ist leider
völlig normal.
als AUTOR gelten dieselben regeln. wenn ich die quelle kenne, nenne ich sie. ab und zu ist das nicht der fall, z.b.
bei einem brillanten soziologischen denk-modell aus den usa.
jedesmal, wenn ich es vortrage (z.b.
in "birkenbihl on managemet") füge ich
hinzu, daß ich die quelle
nicht kenne (ich gebe es also nicht als mein modell
aus, nur weil ich nicht weiß, wen ich hier paraphrasiere) und ich bitte um hilfe. in 40 jahren kam noch
keine antwort, aber erstens kommt sie vielleicht
noch eines tages (was mich immens freuen würde)
zweitens ändert das nichts an der tatsache, daß ich hier lieber einen menschen
erwähne, dessen namen ich nicht kenne, als mich mit
fremden federn zu schmücken.
da sich gleiches zu gleichem gesellt, zitieren autoren
meist die "richtigen" (d.h. ein autor,
der viel zitiert weil er viel gelesen hat, zitiert
in der regel ähnlich "gute recherchierer",
wie er selber einer ist. und das gegenteil ist
wahr: es sind meist dieselben, die "vergessen", wen sie da
zitieren/paraphrasieren. leicht zu erkennen am fehlenden lit.verzeichnis
am ende von buch/artikel.
bedenken Sie: wenn jemand z.b. als "kleiner verkäufer" 20 verkaufs-seminare über sich ergehen
lassen mußte und feststellt, daß
verkaufstrainer im wesentlichen
mehr oder weniger sehr ähnliches bieten und wenn er /inzwischen verkaufsleiter) eines tages
sagt: das kann ich besser (klar, er zieht ja aus 20 quellen und jeder mensch hat tolle eigene assoziationen
beim hören/lesen von "zeug"), und wenn er
sich eines tages, 5 jahre
später, entscheidet, als selbständiger (freier) trainer
zu arbeiten und 5 jahre später ein BUCH darüber
schreibt, dann gibt er in der regel so gut wie
keine quellen an. ich finde das unschön aber nachvollziehbar. was hingegen
meinen heißen zorn auslöst ist, wenn fachleute, vollakademiker, die
genau bescheid wissen, quellen weglassen, weil sie
zu faul sind, sauber zu recherchieren. ich habe einige jahre
lang einigen leuten ihre büchr
geschickt, die eine mitarbeiterin von mir auf
fehlende quellen hin überprüft hatte, wobei ich bei ca. 70% der quellen diese
im kopf hatte und ihr genau sagen konnte, wo sie
suchen soll (das war lange vor dem googlen von dingen!!). in keinem fall hat einer der angesprochenen reagiert (z.b. bei der nächsten auflage
des buches), zumindest nicht, daß
ich davon wüßte.
das war übrigens der hauptgrund, warum ich als autor bei GEHIRN & GEIST aufgehört habe, wiewohl ich
zu den ersten gehöre, die man gerufen hatte, um die zeitschrift
zu etablieren. in der zeit meiner mitarbeit wurde aus vierteljährlich 2-monatlich, dann
monatlich und mir sagten am anfang viele, daß sie spontan abonniert hätten, als sie sahen, daß ich "dabei bin". tja, und dann hörte ich
dort auf, leider, denn mein spezifischer lektor
dort (ein biologe) strich mir regelmäßig den großteil meiner quellen heraus,
mit der begründung, man wolle ja nur das breite puplikum ansprechen, im gegensatz
zur "Mutter" (spektrum der wissenschaft, schwer lesbar, mit quellen). im klartext: laienhafte leser
brauchen nicht zu wissen, wessen forschung hier
erklärt wird. ich finde das unglaublich! insbes. als ich das im nachhinein merkte, weil er
einfach in meimem text
herumstrich OHNE MICH ZU BENACHRICHTIGEN. dadurch dauerte es so lange, bis
ich es merkte.
in einem spezifischen fall zitierte ich herrn prof.
SPITZER (ulm). genau dieser punkt
wurde von einem lesenden prof aus österreich moniert, er wußte ja
augenscheinlich gar nicht, daß er eigentlich
SPITZER angriff. ich telefonierte mit ihm und konnte mich des eindrucks nicht erwehren, daß
er vielleicht nur "gemeckert" hatte, um zu sehen, ob ich weiß, was sache ist. ich sagte meinem lektor
bei G & G, so geht das nicht, und habe direkt danach aufgehört. was mich
bes. erbost ist die tatsache, daß
er:
1. aus meinen beiträgen ein sonderheft
gemacht hat, um sie nochmal zu nutzen (wiewohl er mir gegenüber behauptet
hatte, sie hätten ihm eh nie gefallen), so daß
diese weitgehend quellenlosen texte wieder verwendet
wurden. es ärgert mich nicht, daß ich dafür keine tantieme bekam (ich hatte ursprünglich ein honorar gehabt, das war nicht der punkt),
aber das mit den quellen, das finde ich schlimm.
2. in einem mvg-buch 7 meiner 12 G & G-beiträge
einzuschleusen (alle anderen autoren, auch G &
G ARTIKELschreiberInnen, hatten maximal 2- 3 beiträge pro autor, also hing
das werk nicht zuletzt an meiner arbeit (ohne einen pfenning honorar). und wieder waren die fast quellenlosen artikel drin, er hatte mir kein wort
gesagt, alles hinter meinem rücken. bei mvg waren damals zwei junge damen
ohne erfahrung zuständig, die gar nicht auf die idee kamen, mit mir zu reden, die nicht einmal wußten, daß so viele artikel des seit jahren bestverkauftesten mvg-autors
betroffen waren, und so ist es passiert! inzwischen habe ich das mit dem verlag geklärt. entweder das buch wird nicht mehr
aufgelegt oder ich kann meine quellen wieder
hinzufügen, d.h. ich muß diese nach jahren auswendig wissen, weil die alten manuskripte nicht mehr verfügbar sind.Sie sehen, man muß
nicht nur beim SCHREIBEN darauf achten, sondern auch beim PUBLIZIEREN!
so, das war etwas länger als geplant, weil Sie hier einen wunden punkt berührt haben.
vfb
Mit
freundlichen Grüßen
R.L.
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