LERNEN+kulturelle Unterschiede 15.2.08

Sehr geehrte Frau Birkenbihl, diese Frage stellte sich mir beim Lesen des Abschnitts „Forschungsergebnisse über das Lernen“ Modul 8 in „Das innere Archiv“, Absatz „Spiel oder Arbeit?“. Auf der DVD „Was Sie über China/Asien wissen sollte“ (kann ich allen wärmstens empfehlen!) erläutern Sie sehr anschaulich das andere DENKEN der Asiaten. Die Forschungsergebnisse über das LERNEN sind aber eher Ergebnisse aus Studien westlicher Forscher in westlichen Ländern (so entnehme ich das jedenfalls dem Literaturverzeichnis).
Könnte es da nicht sein, das Lernen aufgrund anderen Denkens in asiatischen Ländern anders funktioniert? Dass andere Lern-Methoden als die von Ihnen genannten dort erfolgreicher sind?
======== teilweise ja, insbes. wenn die schriften dieser sprachen ausschließlich (china) oder teilweise bis weitgehend (je nach bildungsgrad, wie im japanischen) pictogramme nutzen. hier wird das gehirn anders geprägt... außerdem neigen die asiatischen länder ja immer noch zu viel PAUKEN, allerdings mit einem interessanten unterschied zu uns: es ist allen beteiligten klar, daß gewisse dinge länger dauern (ähnliches sehen wir in der islamischen welt, dort erwartet auch niemand, daß koranschüler den koran in weniger als einigen JAHREN beherrschen werden (es dauert übrigens nur 3 monate, wenn man die tägliche lese-ration nur einmal durchlesen würde). jahrelanges einpauken vieler einzelner fakten bewirkt ein graduelles aufbauen eines PAUK-TEIL des wissensnetzes (auch der koran ist durch das sortieren nach LÄNGE der kapitel) ein ziemliches „Durcheinander“, viele suren sind surensammlungen diverser sprüche und aussagen, also auch viel isoliertes „zeug“). dieser teil wissensnetz scheint eines tages plötzlich „da“ zu sein und ist ab jetzt nutzbar. ab diesem zeitpunkt können tatsächlich gedanken ASSOZIATIONEN zu inhalten dieses netzteils auslösen, was eingangs ja nicht der fall ist, da isoliserte infos assoziativ kaum zugänglich sind. deshalb baut man ja eselsbrücken, aber praxis-situationen in der praxis können solche fakten zunächst nicht „anreissen“. da asiaten LANGFRISTIG denken, haben sie mehr geduld für ergebnisse SPÄTER...

Bei der Beschäftigung mit der japanischen Sprache und im Umgang mit Japaner fiel mir Folgendes auf: Japaner empfinden „Spiel“ und „Arbeit“ völlig anders als wir. Wenn ich einer deutschen Pianistin vor ihrem Konzert Glück wünsche und sage: „Toi,toi, toi, viel Spaß!“, ermuntert das normalerweise. Eine Japanerin schaut mich verständnislos und irritiert an – denn in Japan geht es nicht um Spaß, es heißt „ganbatte kudasai“, bedeutet: „halte durch, bemühe dich, lass dich nicht unterkriegen“. Ein großer Unterschied, oder?
======= richtig, aber je mehr sich bei uns jemand dem MEISTER-niveau nähert, desto klarer sieht er die LEISTUNG professionell und das ist nicht für alle menschen mit spass zu assoziieren...

Kennen Sie Studien über LERNEN in Hinblick auf kulturelle Unterschiede, denkbar wären sogar physiologische Unterschiede (bin kein Gehirnforscher, deswegen dieser vielleicht naive Gedanke – aber trotzdem stelle ich diesen Gedanken mal zur Diskussion).
======= es gibt artikel im internet über die andere art von gehirn durch JAPANISCH (wegen der mischung als silben plus piktogrammen), was möglicherweise ein noch flexibleres denken erzwingt als chinesisch, das eher zu bildhaften sprache und zu ungenauigkeiten (aus westlicher sicht) führt, weshalb die chinesen ungern verträge inkl. kleingedrucktes machen wollen sondern eher rahmenverträge, die im detail erst entwickelt werden, wenn alle beteiligten wissen, wie es im alltag läuft. da man bei den chinesen sehr viel ergänzen muß, weil die sprache es schwer macht, sich „festzunageln“ sind mißverständnisse weit normaler als bei uns, so daß man nicht gleich annimmt, jemand habe nicht aufgepaßt. so erzählte mir eine chinesin, es gäbe auch kein beleidigtes „Sie haben mich mißverstanden!“. hmm, spannend, gell.
vfb

Herzliche Grüße
Matthias Gräff-Schestag