Alltag an einer Hochschule
1.2.08
Hallo Frau Birkenbihl, ich
habe im Frühjahr Abitur gemacht und bin nun mit meinem ersten Semester
an einer Fachhochschule fertig. Ich muss sagen, dass ich über die Didaktik
erschreckt bin. Das ist ja noch viel schlimmer als Schule!
====== tja, man geht davon aus, daß die leute, die jetzt kommen, in der
schule gelernt hätten, wie man TROTZ SCHULE LERNT, da dies aber seltender
fall ist, wird es aus sicht der betroffenen NOCH schlimmer...
Es begann so, dass die Professoren
Regeln diktiert haben, wie man etwasNICHT macht. Wenn man diese in der nächsten
Vorlesung noch nichtauswendig wusste, wurde man angeschrien und z.T. beschimpft!
==== leider sagen sie nicht, was Sie studieren... bei chemie-experimenten könnte
ich mir vorstellen, daß die angst der zuständigen so ein verhalten
auslösen könnte...
******* Oh, das habe ich ganz vergessen: Maschinenbau. Angeschrien wurden wir
in ganz ungefährlichen Fächern wie Mathematik. Und diskutieren durfte
man über Lösungswege auch nicht. Es musste in der Klausur alles so
gemacht werden, wie der Professor es wollte. Und wer in der Vorlesung etwas
nicht verstanden hat, dem hat der Prof. es in der Regel natürlich NICHT
noch einmal erklärt.Es wurden Übungsaufgaben gestellt und dann wurde
penetrant aufFehlersuche gegangen. Und wehe, es war etwas falsch... Teilweise
wurde einem noch nicht einmal gezeigt, wie man etwas machen soll. Pauken wirdforciert.
===== tja, das ist das land der dichter und denker!
Die Klausuren werden so
ausgelegt, dass man sie als "normaler" Student mit ordentlich Übung
bestehen kann (trotzdem noch Durchfallquoten von bis zu 70 Prozent). Wenn man
gute Noten haben will, muss man derartig schnell sein, man muss alles also extrem
viel geübt haben (furchtbar).
====== am besten lernen Sie gehirn-gerecht vorzugehen, über be-GREIFEN,damit
Sie die dinge in den GRIFF bekommen, statt bei dem pauk-systemmitzumachen und
wie ein hamster im laufrad zu rennen, bis Sie nichtmehr können...
******* Ja, das habe ich auch versucht. Es ist nur nicht so einfach, wenn einem
das Begreifen von Anfang an erschwert wird. Und die vom Professor empfohlene
Literatur ist größtenteils unverständlich...Man hörte auch
Aussagen wie "Sie müssen das nicht verstehen. HauptsacheSie wissen,
wie es heißt." Es ging teilweise so weit, dass ich hundertevon Seiten
vollgepackt mit Stichworten auswendig lernen sollte (und dieerläuternden
Skizzen gleich mit!). Und in der Klausur wurde auch nurdas abgefragt (besonders
Details, teilweise auch Formeln!). Und immergibt es Druck...
===== ich wüßte zu gern, was Sie studieren!
******* Das sind Fächer im Maschinenbau wie Werkstoffkunde (z.B. Wie sind
Metalle aufgebaut?) oder Fertigungstechnik (z.B. Wie schmiedet man maschinell?).
Beispiel: Ich kenne mich aus der Schule sehr gut mit Lasern aus. In so einer
Vorlesung aus der FH wurde eine Anwendung des Lasers durchgenommen. Anstatt
ANSCHAULICH zu erklären, wie so ein Laser funktioniert (das kann man durchaus
in 5 Minuten machen, ich habe es schon mit Erfolg getan), schreibt der Professor
an "monochromes, kohärentes Licht hoher Energiedichte" und meint,
jeder hätte verstanden, was das heißen sollte. Auf Nachfrage sagte
er: Egal, was das heißt, hauptsache Sie wissen, wie es heißt. -
Und genau diese Definition hat er auch in der Klausur abgefragt. Wo bleibt da
das Verständnis? Er legt also keinen Wert darauf. Und das für eine
Fachhochschule, die sich für ihren Praxisbezug rühmt!
====== das ist echt schlimm. ich stimme Ihnen 100% zu. ich kann nur raten, möglichst
viel autonom zu lernen, und zwar im vorhinein. ich habe das vorauslernen ja
zuerst für spr.lernen entwickeln, damit man trotz schule mit der birkenbihl-methode
arbeiten kann (s. video-clips auf der website). aber dann haben wir festgestellt,
daß es bei jedem schlechten unterricht von vorteil ist, weil man auch
schlechtem unterricht einiges entnehmen kann, wenn man vorausgelernt
hat, was auch für die psyche gut ist, weil man feststellt, wie autonom
man werden kann...
Eigentlich kenne ich so
etwas aus der Oberstufe gar nicht (viel mehr Verständnis, offener Umgang
mit Fehlern) und habe das Gefühl, die Didaktik an der Hochschule ist einige
hundert Jahre verkrustet. Ich bin völlig unzufrieden. Ich kenne Ihre Ratschläge
gegen das Pauken. In der Schule konnte ich sie sehr erfolgreich einsetzen. Jetzt
bin ich allerdings ratlos. Diese gewaltigen Stoffmengen müssen so sitzen,
dassich zumindest zum Schluss, als ich nach Monaten des richtigen Lernensnoch
mehr Stoff verinnerlichen musste, nicht mehr auf des Paukenverzichten konnte.
Ich werde jetzt vorlernen - zum Verständnis. Haben Sie vielleicht noch
andere Tipps?
===== wie denn, wenn Sie nicht verraten, welches THEMA Sie lernen sollen????
******* Tja, Fächer im Maschinenbau wie höhere Mathematik, Elektrotechnik
(wo man jede Formel auswendig können muss, sogar Lebensdaten irgendwelcher
Entdecker), Werkstoffkunde, Fertigungstechnik, Konstruktion ...
======= frage: man lernt ja am besten durch lehren. wäre es möglich,
daß Sie versuchen, andere zu coachen bzw. mit anderen im team zu arbeiten.
so können vier leute einen trick anwenden, indem jeder für ein viertel
des stoffes eine prüfung für alle bastelt und dann alle vier alle
vier prüfungen spielen (1 als spielleiter, drei als student). danach haben
Sie ein raster an wichtigen details im kopf und kommen viel besser mit dem klar,
was im hörsaal passiert...
Während des Semesters
habe ich (und auch Kommilitonen) häufig panikartige Anfälle bekommen
(nach dem Motto: "Das schaffe ich ja nie"). Was kann ich dagegen tun?
===== gehirn gerecht vorgehen, aber ich kann nichts sagen, solange ich keine
ahnung habe, was Sie lernen wollen.
******* Ja, das probiere ich schon (Stroh im Kopf, das Innere Archiv, Genial
Lehren/Lernen und noch ein paar mehr Werke kenne ich bereits). Bei diesem Studium
musste ich nur feststellen, dass einem das Lernen extra schwer gemacht wird
und ich deshalb Schwierigkeiten habe, die gehirn-gerechten Methoden umzusetzen.
===== Sie haben mein volles mit-leid... übrigens werde ich im juni einen
vortrag an der uni augsburg halten (steht unter TERMINE und wird vorauss. nichts,
oder fast nichts kosten) in dem ich aufzeige, wie unterricht und materialien
das lernen erfolgreich ver-UNMÖGLICHEN können!!
Es geht mir nicht unbedingt
darum, gute Noten zu bekommen (die habe ich auch so geschafft), aber ich möchte
TROTZ FH so lernen, dass ich auch langfristig etwas davon habe.
===== früher waren die FH-absolventen die praktiker und hochgeschätzt,
weil nicht so theoretisch verquast... heute will jede hochschule zur elite-schule
mutieren. vielleicht hat das auch damit etwas zu tun?
Die Angst ist - glaube
ich - durch die Unmengen an auswendig zu lernendem Stoff entstanden.
======= es ist auch eine frage des interesses. ich lerne seit monaten unmengen
von zeug für die neuen vorträge am ersten und 2. abend in karsfeld,
aber ich finde es faszinierend und kann gar nicht darauf warten, das büro
zu verlassen, um weiter-LERNEN zu können, weil mich die themen so fesseln...
vfb
Vielen Dank
A. |