Strategien für Mathe +Naturwissenschaft 6.8.07

Guten Abend, Frau Birkenbihl! Ich habe in der Wandzeitung des Öfteren Fragen gesehen, die um Mathematik und Naturwissenschaften (NatW) gingen. Sie haben oft geantwortet, dass Sie diese Fragen noch nicht so beantworten könnten wie z.B. welche zum Sprachenlernen (ich habe auch Ihr Video zum Rechen-Training gesehen). Ich selbst bin mathematisch-naturwissenschaftlich-technisch begabt/interessiert. Allerdings hatte ich in meiner SCHULZEIT einige Probleme, die ich mithilfe von selbst entwickelten Strategien bewältigen konnte. Da ich von Ihnen schon so viele hilfreiche Tipps zum Lernen und zur Stressbewältigung bekommen habe (noch kein Autor hat meinen Alltag so sehr positiv beeinflusst wie Sie), möchte ich meine Erfahrungen mit Mathematik und NatW für andere, die die Wandzeitung lesen, zugänglich machen.
====== das freut mich.

Vielleicht können sie sich ein paar Anregungen holen und meine Strategien für sich weiterentwickeln. Falls einige meiner Strategien nicht gehirn-gerecht sein sollten, könnten Sie ja einen negativen Kommentar darunter setzen. Noch etwas zur Situation: Meinen Tiefpunkt in Mathematik hatte ich in der 8. Klasse in Geometrie (zweimal hintereinander fast eine 5). In Physik war ich nicht ganz so schlecht, aber sowohl Mathe als auch Physik haben mir im Unterricht keinen Spaß mehr gemacht (es ging so sehr um Formalitäten). Mittlerweile habe ich leidenschaftlich und mit viel Spaß in beiden Fächern (als Leistungskurse) mein Abitur mit jeweils einer 1+ (15P.) gemacht. Meinen Weg dorthin würde ich gern erläutern.
======= spontan fällt mir ein satz EINSTEINs ein, der auch für mich gilt, und hier sicherlich zutrifft. „Alles wichtige mußte ich mir selber beibringen.“

Wenn ich Schulbuchtexte (insbes. Mathe) gelesen habe, dann kam es mir sehr darauf an, hauptsächlich IRGENDETWAS zu verstehen (noch NICHT alles!) (obwohl das langfristige Ziel war, das Thema über das Verständnis zu erschließen, dann geht der Rest viel einfacher).
====== das gehört bei uns zum intelligenten LÜCKEN-management, mut zur lücke, wenn man sich mehrfach befaßt, beginnen diese sich später zu schließen.

Dieser Schritt war sehr hilfreich, BEVOR ein neues Thema im Unterricht behandelt wurde.
====== aha, vorauslesen ist ebenfalls gut. auch beim sprachenlernen empfehle ich, dem unterricht immer 2 -3 lektionen voraus zu sein, damit man schon vertraut ist, wenn die sache „dran kommt“, das ergibt dann weniger lücken IM UNTERRICHT.

Dann war der Unterricht plötzlich nicht mehr schwierig und unverständlich, sondern es war einiges bekannt.
===== so isses. interessanterweise wehren sich viele lehrkräfte mit händen und füssen dagegen, daß schüler „vorpreschen“, weil sie dann weniger MACHT über diese haben... positiv ausgedrückt haben schüler weitgehende AUTONOMIE, wenn sie vorauslesen und -denken...

Ich konnte nach dem fragen, was ich nicht verstanden hatte, und das Thema war interessant. Und das für die 5 min, die ich zum Lesen gebraucht habe (wirklich nur kurz lesen und versuchen, es nachzuvollziehen).
====== exzellent und zur nachahmung empfohlen...

Eventuell war es noch hilfreich, kurz die Beispielaufgaben nachzurechnen. Wenn dann dieses Thema im Unterricht durchgenommen worden war, fand ich es hilfreich, den Text zu vernachlässigen und erste EINFACHE Aufgaben (wie sie in den Beispielen waren) ähnlicher Art (nicht zu schwierige) nachzurechnen. Aber nur, wenn dies schon LEICHT FIEL.
====== eine ausgezeichnete entscheidung, die sich alle zu eigen machen sollten.

Im Unterricht fand ich es immer schrecklich, wenn ein neues Thema regelgebunden eingeführt wurde und man nach der ersten Aufgabe schon sofort selbst eigene Aufgaben, am besten noch schwierigere, rechnen können musste.
===== einer der hauptfehler, die das lernen VERHINDERN. weil sie verständnis verhindern und keine zeit lassen, für das neue nervenbahnen aufzubauen...

In solch einem Fall habe ich dieses Thema selbst ein paar Stunden, am besten aber einen Tag ruhen lassen.
===== unbewußt wieder richtig entschieden, damit die nervenbahnen TROTZ SCHULE wachsen können...

Beim weiteren Üben habe ich mich dann immer weiter auf Aufgaben, und nicht auf den Lehrbuchtext konzentriert. Das meiste seines Inhaltes habe ich beim Rechnen intuitiv erfasst. Nach dem Rechnen war es aber durchaus hilfreich, ihn noch einmal zu lesen (oder öfter, wenn noch Einzelheiten unklar waren). Je weiter ich kam, desto anwendungsbezogener und interdisziplinärer wurden die Aufgaben (d.h. LANGFRISTIG üben). Es gibt Übungsbücher und Internetseiten mit lustigen Aufgaben bzw. Prüfungsaufgaben (darf ich Links und Verlage angeben?), auch wenn bei weitem nicht jede Aufgabe sinnvoll für das eigene Lern- oder Prüfungsziel ist.
====== wir haben ein eigenes forum für lieblings-internetsites unserer insider, dort dürfen Sie alle LINKS angeben, die Sie für sinnvoll halten. haben Sie das paßwort?? (falls nicht, kennen Sie die offen zugänglichen stellen unserer web.site? dann können Sie es beantragen). kann mir vorstellen, daß viele unserer insider dann dorthin gehen und sich die links holen möchten...

Man muss sich später sehr genau überlegen, welche Aufgabe aus einer riesigen Auswahl genau das trainiert, was man braucht oder möchte
=== wobei der entscheidungsprozeß (ist diese aufgabe geeignet? ist es jene?) schon ein wichtier teil des LERNPROZESSES darstellt, weil man beim entscheiden ständig hinzulernt, worum es geht. das gehört zum mechanismus der ABSTRAKTION (derselbe, mit dem wir unbewußt die „spielregeln“ von sprachen abstrahieren, ohne grammatik-unterricht, vgl. muttersprache oder sprachen lernen „auf der straße“. dieser mechanismus greift hier auch. offiziell wählt man übungsaufgaben, die einen „anspringen“ aus, inoffziell lernt man unbewußt weit mehr. das ist gehirn-gerecht vom feinsten...

(Aber man sollte dann auch tatsächlich das trainieren, was später verlangt wird. Wenn man weiß, man muss später best. Aufgaben können, dann muss man, anders als es manche Schüler tun, auch genau diese Aufgaben trainieren). Ferner sollte man sich von Schulbüchern nicht verunsichern lassen (viele Fachbücher, z.B. „Mathe für Physiker“ fand ich sogar einfacher geschrieben), gleiches gilt für Beweise (sollte man m.E. – wenn überhaupt – nur hinterher machen)
===== richtig, dafür sind sie auch. abschließendes verständnis prüfen und absichern, damit die nervenbahnen stabil werden können...

und Fachsprache (letztere lässt sich bei Mathe zu einem späteren Zeitpunkt sehr gut mit ABC-Listen trainieren)(in den NatW bringen ABCs von Anfang an sehr viel).
====== brav. :-)))

Gut ging es, wenn ich die zu erschließenden Themen vorher in populärwiss. Büchern oder Artikeln oder in Schulbüchern aus einer niedrigeren Jahrgangsstufe gelesen hatte (auch wenn dort mehr steht, als man momentan braucht: Das Wissensnetz wird größer und das Lernen leichter).
====== sehr gut!

Auf keinen Fall habe ich die Tafelnotizen gepaukt! Ferner kommt es auch auf die innere Haltung zu dem Thema an: Viele haben eine Abneigung gegen bestimmte Themen und haben zu große Angst vor Fehlern. Ab einem bestimmten Zeitpunkt fand ich hässliche Ausdrücke lustig und habe diese mit Freude imitiert. Ich habe Mathe bzw. NatW als Hilfe für den Alltag und das Berufsleben verstanden und habe als Hobby einige interessante Bücher zu nahe liegenden Themen gelesen („gehirn-gerechte Einführung in die Quantenphysik“ war mir da sehr gelegen!).
====== erstens bitte mit BINDESTRICH (haha!) und zweitens heißt diese jetzt als DVD „VON NULL AHNUNG ZU ETWAS quantenphysik“, dasselbe gilt für komplexitätstheorie, wobei wir die reihe mit chinesisch fortgesetzt haben. bald erscheinen auch japanisch und arabisch).

Interessant sind auch einige natW Ausstellungen und Museen, die man evtl. mit seinen Kindern besuchen könnte (auch wenn diese schon größer sind). Nach einer gewissen Zeit habe ich mich gern über diese Themen unterhalten, über sie nachgedacht und von ihnen geträumt. Mir sind sogar Lösungen für Aufgaben im Halbschlaf beim Aufwachen eingefallen (Wie geht das?).
====== zwei gründe: erstens ist seit den 1920-iger jahren bekannt, daß der kreative durchbruch bei aufgaben, an denen man zuerst verzweifelte, erst nach einer PAUSE auftauchen kann (archimedes saß in der badewanne, als ihm etwas „zu-fällig“ ein-FIEL und er nackt hinausrannte und EUREKE (= ich habe es gefunden) rief. KUKULE saß vor dem kamin, starrte ins feuer und befand sich in einem meditativen nicht-denken, als ihm die ringartige struktur einer molekül-anordnung „einfiel“ (die zuvor noch nie gedacht worden war). zweitens: wir verarbeiten im schlaf. insbes. in der 3. schlafphase (REM) eindrücke der letzten tage, daher können wir lösungen TRÄUMEN. beide mechanismen zusammen tauchen oft auf, wenn man so vorgeht wie Sie, d.h. man erhält so manche einsicht kostenlos „in den schoß geworfen“, die bei normalem lernen nie aufgetaucht wäre. denn wer stur einige aufgaben löst, ohne zu denken und zu begreifen, hat nachts nichts zu verarbeiten, haha.

Seltsamerweise habe ich bei geometrischen Problemen oder bei komplexeren Gedankengängen (auch bei sehr formalen Dingen) immer das Bedürfnis gehabt, die benötigten Symbole nicht auf Papier zu verfassen, sondern zu stehen: Ich habe mir einen (wasserlöslichen) Folienstift genommen und einen zimmerhohen Spiegel vollgeschrieben. Irgendwie ging das besser. Und danach konnte ich mich super an meine Gedankengänge erinnern!
======= das ist sehr interessant, erstens arbeiten forscher und polizei-forscher grundsätzlich an stehenden tafeln, heutzutage auch weiß- oder durchsichtigen plastiktafeln, wie man in intelligenten krimis beobachten kann (vgl. CLOSER, mittwoch abends, VOX), zweitens stellte ich fest, daß ich im seminar oft neue einsichten hatte, als ich meine ideen stehend am flipchart (später am overhead) vorstellte. es gibt mini-stehpulte für blöcke, die dann relativ steil am tisch stehen können (A5 bis A3), ein solches wäre gut für leute, die das system einmal testen können. man kann kurz aufstehen und schreiben, zeichnen etc. und zum lesen wieder sitzen, hat die aufzeichnungen jedoch weiterhin steil vor augen...

Auch in den NatW sollte man die Aufgaben nicht vernachlässigen. Viele haben selten geübt, nur Texte gelesen, auch wenn die Arbeiten zu 80% aus Aufgaben bestanden.
======== schließlich entwickelten sich die NatW AUS praktischen aufgaben heraus, aber bei der art von theorie überfrachtetem unterricht merkt man das gar nicht. das ist so, als würde man wissenschaftlich über pfannkuchenbacken reden, aber nie welche backen. würde man erst backen, könnte man später vortrefflich AUCH darüber reden...

Um den „Ball-im-Tor-Effekt“ auszunutzen, habe ich mir immer Lösungsbücher zu den Schulbüchern besorgt. Die bekommt man im Internet entweder über Auktionshäuser oder mittlerweile z.T. auch über reguläre Internetbuchhändler. So konnte ich mir vieles selbstständig erarbeiten. Das finde ich viel besser als mich bloß von einem Lehrer berieseln zu lassen.
====== es ist gehirn-gerechter, macht mehr spaß und Sie merken sich, was Sie selbst erarbeitet haben! dh.diese art von „hausarbeit“ ist bereits der sog. lernprozeß, der folgt nicht erst später und schon gar nicht erst kurz vor der prüfung...

Außerdem kann ich nach meinem eigenem Tempo vorgehen. Zusätzlich habe ich immer die Lehrer genervt, wenn mir keiner etwas erklären konnte. Und dabei habe ich keine Ruhe gegeben. Ich habe darum gebeten, dass etwas vorgerechnet (besser als eine Regel) oder erklärt wurde, und wenn es in der Pause war oder der Lehrer für mich zu Hause auf einem Zettel etwas vorbereitet hat. Aber ich habe das Unbekannte durch viele FRAGEN erschlossen, indem ich letztlich die Antworten bekommen habe.
======= nur trauen sich viele schülerInnen nicht zu fragen bzw. manche lehrer halten solche fragen für angriffe, leider... da haben Sie auch glück gehabt mit Ihren lehrkärften.

Dafür habe ich anderen auch sehr viel erklärt (das war eine gute Wiederholung und es hat mir auch immer gezeigt, womit ich mich noch mal beschäftigen sollte).
====== schon die alten römer: docendo discimus (lehrend LERNEN wir). deshalb plädiere ich u.a. seit jahrzenten dafür, daß schüler sich dinge gegenseitig erklären (pairing 1985, kumulierte kompetenz 2005)

Auch habe ich gelernt, Geduld zu haben und nicht gleich zu verzweifeln, wenn ich etwas nicht wusste oder konnte.
======= intelligentes lücken-management und mut zur lücke, s. oben

Schließlich erscheint mir ein praktischer Bezug als wichtig. Ich habe z.B. bei einem Extremwertproblem einmal ein Becken nachgebaut, da ich die Aufgabe nicht verstanden hatte. Danach war alles klar.
===== brillant! gratuliere. zur nachahmung empfohlen!

Auch habe ich mir einen Praxisbezug bei meiner Berufswahl „gegönnt“: Ich werde Maschinenbau studieren und gleichzeitig eine Berufsausbildung absolvieren. Dieser duale Studiengang bietet handwerkliche Grundlagen am Anfang und in späteren Semestern Anwendung in Ingenieursaufgaben. So erscheint mir das Lernen einfacher und gleich praxisnäher (viele Betriebe beschweren sich auch darüber, dass die Hochschulen an der Praxis vorbei ausbilden; dieses Problem kann man dadurch auch vermeiden).
======= wunderbar. so lernten die leute früher IMMER!

Zum Schluss möchte ich Sie noch in Ihrer Aussage bekräftigen, dass Pauken SINNLOS ist. Ich habe beim Abitur festgestellt, dass diejenigen, die sich sehr kurzfristig und paukend auf die Prüfungen vorbereitet haben, i.d.R. deutlich mehr Abstriche bei ihren Leistungen machen mussten, insbesondere bei Aufgaben, in denen sie variieren mussten, da es an tief greifendem Verständnis fehlte.
======= eben, meiner rede sinn, seit jahrzehnten. danke für die bestätigung.
:-)
vfb

Mit freundlichen Grüßen
AG