Menschenbild im Gesundheitswesen 29.7.07

Liebe Frau Birkenbihl und Team, ich (Fachkraft für Leitungsaufgaben in der Pflege, 28 Jahre, wbl.) leite seit einigen Jahren eine Station in der Psychotherapeutischen Abteilung der Klinik, in der ich beschäftigt bin. Dieser Betrieb ist soeben privatisiert worden (war zuvor ein Staatliches Krankenhaus). Da ich also ab sofort Mitglied in einer Riesen-Organisation sein werde, die sich seit Jahren mit Service-Fragen befasst (im Gegensatz zur vorherigen Leitung der Klinik), möchte ich vorbereitet sein und vorallem auch meine eigenen Erfahrungen einbringen. Ich bin bereits ein wenig vertraut mit der Veröffentlichung von Texten und habe momentan ein Buch in Arbeit, das sich allerdings auf Pflegefachliche Themen bezieht.
Ich möchte mich danach verstärkt mit dem Thema Service und Menschen-(auch Kunden-)bild im Gesundheitswesen beschäftigen. Ich habe bereits den Beitrag dieser Wandzeitung über die (vielleicht) aussichtslose Schulung von Ärzten im Bereich Service gelesen. Liebe Frau Birkenbihl, ich kann Ihre spürbare Resignation durchaus nachfühlen - ich selbst fühle mich allerdings noch nicht so"ausgepowert" - gerade für meine Berufsgruppe nicht. Ich will das Thema anpacken und in der Praxis etwas verbessern - direkt bei uns, aber möglicherweise sogar darüber hinaus. Meine Frage an Sie ( und ich wende mich deshalb an Sie, da ich gerade"neu" zu Ihrer Fan-Gemeinde stieß: in der Bibliothek ist es passiert, bei der Lektüre von "Birkenbihl on service")lautet:
======== ich glaube, hier fehlt etwas. das passiert mir z.b., wenn ich an die pfeil-rauf-taste komme, dann geht er rauf und schluckt 1 bis anderthalb sätze, im vorbeigehen... dann kommen solche „brocken“ dabei raus...

Können Sie mir Literatur nennen, Forschungs- oder Umfrage-Ergebnisse, die sich mit dem SELBST-Verständnis von Patienten im Krankenhaus beschäftigen?
======= leider nein. ich bin zwar schon mehrmals im VORGESPRÄCH mit krankenhäusern gewesen, aber die wollten entweder nicht wirklich über service nachdenken oder nur als alibi-funktion (da spiele ich nicht mit), so daß ich das thema nie tief recherchiert habe. da ich unter ärzten sehr viel leiden mußte, vor allem als KIND, werde ich das thema von mir aus auch nicht recherchieren, sorry.

Ich will wissen, ob Patienten überhaupt Kunden sein möchten,
====== ooh ja, das weiß ich aus PATIENTEN-SEMINAREN, ha ha. sie möchten RESPEKTIERT werden und nicht wie ein möbelstück von einer untersuchung zur anderen (ab-)geschoben werden. sie möchten nicht, daß, wenn man mit entblößtem oberkörper auf eine brustuntersuchung wartet, ein zweiter medizinischer mitarbeiter hereinkommt und sich mit dem für uns zuständigen 10 min. lang unterhält, während wir HERUMSTEHEN und warten (ich habe mich in so einem fall einmal 1. wieder angezogen und bin nach weiteren 5 minuten hinausgegangen, was man mir sehr übelgenommen hat). das wollen patienten NICHT. aber viele suchen vater- oder mutterfiguren, die sie wieder HEIL MACHEN, ohne daß sie selbst sich anstrengen müssen. nicht jede/r möchte ein MÜNDIGER PATIENT SEIN, wie die meisten nicht bereit sind, sich zu informieren, um als MÜNDIGE BÜRGER zur wahlurne zu gehen - aber alle möchten als KUNDE behandelt werden in den sinne, daß man sie nicht wie möbelstücke, vieh oder „die leber“ betrachtet! das kann ich Ihnen mit sicherheit sagen!

und wenn ja, in welchen Bereichen. Wieviel Bevormundung wollen Kranke?
===== beginnen wir doch damit, sie als MENSCHEN zu bezeichnen. wenn man ständig nur von kranken und patienten spricht, vergißt man zu leicht, daß es MENSCHEN sind...

Wollen sie überhaupt welche?
===== das könnte man im eingangsgespräch bei der anamnese miterheben... einige vorsichtige fragen würden dies schnell zeigen...

Wie sehen die Unterschiede in der Psychiatrie aus?
====== davon verstehe ich nicht genug, da kann ich nichts sagen. aber das wenige, das ich weiß, ist ähnlich. leute anzuschnallen oder per chemie zu zombies zu machen mag bequem fürs personal sein... (wenn ich von einigen TV-dokus und talkshows ausgehe, die ich dazu gesehen habe).

Vielleicht haben Sie aufgrund Ihrer sicher großen Textkenntnis eine Quelle für mich.
====== leider...
vfb

Ich danke Ihnen im Voraus für Ihre Art, mir zu helfen (und für Ihre Art, die Welt zu verbessern),
Herzlichst,

Anja-Maria Reichel

2. August 2007
Menschen in Psychotherapie oder Psychatrie wollen nicht entmündigt werden und das passiert dort weit mehr als woanders. Soweit möglich, sollt der Patient echtes Mitspracherecht haben. Wenn ein Patient einen Weg außerhalb des Lehrbuches gefunden hat, dersichtlich funktioniert, dann will der Patient nicht ständig von neuem gezwungen werden aufs "Maul" zu fallen und sich von neuem von ganz unten raufzukämpfen. Die meisten dulden nur das was im Lehrbuch steht, da aber jeder Menschein Individum ist gibt es auch einige die anders funktionieren. (Anders funktionieren mit Zustimmung sehr sehr weniger sehr erfahrenen guten Fachärzten) Insgesammt wollen Menschen wenn sie einen Termin bei einer Frau machen nicht feststellen das sie von einem Mann aufgerufen werden. Oder wie Frau Birkenbihl schon sagte, dass andere Mediziner durch die Räume tanzen wenn man nackt ist. Sie wollen einbezogen werden und wissen was los ist und aktiv mitentscheiden. Der Arzt hat nicht zu entscheiden was sich der Patient leisten kann oder nicht... Sprüche wie der Arzt (Mann) sieht täglich nackte Leute sind völlig verstaubt und gehen am Thema vorbei. Der Mensch selber entscheidet was er erträgt und was nicht und ob er dafür ein Risiko eingeht oder nicht. Ich weis nicht ob Ihnen der Text hilft, aber das ist nicht nur meine Meinung und ich denke Sie finden in dem Text vieleicht was hilfreiches.
======= danke für Ihr feedback, Sie verbalisieren ausgezeichnet, was viele als patienten erleben/erleiden müssen.

(Beitrag anonym lassen)
====== verständlich