Trotzdem Lehren-"Alle Macht den Opfern?" 3.7.07 Liebe Frau Birkenbihl, beim
Schmökern in Ihrem Buch "Trotzdem Lehren" (2. Auflage) stieß
ichauf die Passage "Alle Macht den Opfern?" Sie sagen dort, dass Sie
esfür "eine geradezu strafbare Unterlassungssünde" halten,
wenn dieLehrkraft nicht eingreift, wenn ein Kind von den Klassenkameraden ausgelacht
wird. Beim Lesen kamen mir die Tränen, denn auch mein Sohnhat diese Schmach
und andere Formen der Demütigung erleben müssen, obwohl der die Grundschulzeit
in einer Integrationsklasse verbrachte. (Nicht weil er eine Behinderung hätte,
gleichwohl hält er sich heutefür behindert und ich konnte es ihm noch
nicht ausreden!) Dass es in der Macht der Lehrer steht, Auslachen und Sich-Lustig-Machen
zu unterbinden, wurde mir erst nach einem Gespräch mit einer Arbeitskollegin
klar, deren Kind eine Montessorischule besucht und selbst von der Lehrerin wegen
eines solchen Vergehens äußerst wirksam(!) zurechtgewiesen wurde. Mein Sohn ist heute elf
und besucht die Tagesklinik der Kinder- und Jugendpsychiatrie, denn er kann
sich nicht dazu bringen, zur Schule zu gehen. Ich möchte Ihnen von
Herzen danken, dass Sie sich für die Opfer des Systems stark machen und
dass Sie keine Scheu haben, den deutschen Schulzwang offen zu relativieren.
Ich hatte in letzter Zeit immer das Gefühl als gäbe es hier nur Schwarz
oder Weiß, denn sobald ich auch nur das leiseste Verständnis für
meinen Sohn, den Schulverweiger, blicken ließ, hörte oder fühlte
ich nur Verurteilung und fühlte mich abwechselnd wie ein ungehorsames Kind
oder DIE Schuldige. Später erkannte ich die Angst der anderen, was mich
um so mehr nach dem Sinn von solchen Zwängen fragen lässt. Sind wir
nicht reif für die Demokratie? Es grüßt Sie herzlich (Name der Red. bekannt) |