Sex und Selbstwertgefühl 21.5.07

Liebe Frau Birkenbihl, Nachdem ich ihr Buch "Kommunikationstraining" gelesen hatte, habe ich einige Bücher aus dem Literaturverweis gekauft, darunter auch "Ich bin O.K - du bist O.K." von Thomas A. Harris.
Im Kapitel "Er-Er-K und Jugendliche" schreibt er u.a. folgendes: "Viele junge Leute vertreten die Ansicht, wenn zwei Menschen sexuelle Aktivitäten bejahen, wenn sie sich darin einig sind dass es um keine dauernde Bindung geht, und wenn keiner einen Nachteil hat, dann könne das alles nicht schaden. Der Schaden besteht darin dass etwas wertvolles - Sexualität - entwertet worden ist. Sie war zufällig und nicht das alles wert, was aus ihr gewonnen werden könnte. Es kommt darauf an, die Erfahrung ungefährdet zu überstehen. Der Fehler an der vorehelichen Sexualität ist nicht, dass etwas weggegeben wurde, sondern dass etwas fehlte, das nicht genug gegeben wurde. Wenn eine flüchtige Verbindung auf lange Sicht einen Mangel an Selbstwertgefühl und eine Verstärkung der "nicht OK-Anschauung" bewirkt, dann hat die vor- oder außereheliche Sexualität nur eine körperliche Entspannung gebracht und nicht die andauernde Extase zweier Menschen die eine unbegrenzte Verantwortung füreinander teilen. Denn wie kann man diese Beziehung unbegrenzt respektieren, wenn so viele andere ein Vorrecht auf Zuneigung der Partner haben? Außerdem berichten viele Mädchen dass die Erfahrung unangenehm ist und dass sie keinen Orgasmus erreichen konnten. "Es soll so großartig sein", sagte ein Mädchen. "Ich kapier das nicht". Ein Junge antwortet auf die Frage, ob seine Freundin den Orgasmus erreicht: "oh dannach konnte ich sie nicht fragen, so gut kannte ich sie nicht". Sexualverkehr ohne persönliche Intimität kann zu einem Verlust an Selbstwertgefühl führen. Das gilt auch für die Ehe.
Dieser letzte Satz bereitet mir besonders Schwierigkeiten (Sexualverkehr ohne persönliche Intimität kann zu einem Verlust an Selbstwertgefühl führen. Das gilt auch für die Ehe.) Wieso sollte Sex ohne persönliche Bindung zu einem Verlust an SWG führen? Wenn beide Partner es zum "reinen vergnügen" betreiben, verliert doch keiner, oder können das nur "wir Männer" so sehen?
======= nun, hierzu möchte ich zwei dinge anmerken (wobei Sie aufgrund der seminarreisen leider etwas warten mußten):
1. HARRIS schrieb sein buch in der zeit der sog. sexuellen revolution in den usa (10 jahre vor derselben bei uns) als jeder meinte mit jedem ins bett gehen zu dürfen, da plötzlich alle tabus durchbrochen wurden. dabei litt die fähigkeit, eine gute beziehung aufzubauen, dramatisch, die bei männern sowieso schwächer ausgeprägt ist, als bei frauen (s. 2)
2. die hirnforscherin und psychotherapeutin (insbes. paar-therapeutin) BRIZENDINE (deren buch „das weibliche gehirn“ gerade auf deutsch erschien) betont, daß sex für männer (in der regel) eine bestätigung ihrer PERSON bedeute, für frauen jedoch eine bestätigung der BEZIEHUNG. wenn, wie HARRIS (ebenfalls therapeut) gar keine beziehung aufgebaut werden kann, entspricht dieser sex eher einer zwangsernährung als einem gourmet-gericht und kann den betroffenen menschen (vor allem den weiblichen) tatsächlich schaden, wenn sie noch zu jung sind, um beziehungsbedeutungsvollen sex je kennengelernt zu haben.
somit stimme ich HARRIS durchaus zu. ich finde, daß nach wie vor viel zu viele infos herumschwirren, im sinne von sex sei eher mit areobics zu vergleichen als mit einer handlung, die eine beziehung aufbaut oder stärkt und ich finde das schade. aber ich bin natürlich eine frau...
vfb

David Maucher