Hallo Frau Birkenbihl, ich
wende mich mit einer Bitte an Sie, die vielleicht etwas ungewöhnlich, mir
aber sehr wichtig ist, da ich Ihre Überlegungen/Gedankengänge und
deren Darstellung sehr schätze. Allerdings muss ich ein wenig ausholen,
um die Hintergründe zu beschreiben. Ende April werde ich mit einem Cochlea-Implantat (CI) versorgt. Das CI ist eine elektronische Innenohrprothese, das hochgradig Hörgeschädigten, denen Hörgeräte für das Sprachverstehen nichts mehr nutzen, das Hören - teilweise - wieder ermöglicht. Es besteht aus zwei Teilen: dem Implantat (Empfängermagnet am Hinterkopf und Elektrodenbündel im Innenohr) sowie dem externen Sprachprozessor (inkl. Mikrofon und Sendespule), der heutzutage meist am Ohr getragen wird. Der vom Mikrofonaufgenommene Schall wird vom Sprachprozessor kodiert und über die Sendespule an das Implantat weitergeleitet. Die Elektrode im Innenohr stimuliert den Hörnerv mit elektrischen Impulsen, die an das Gehirn weitergeleitet und dort als akkustische Eindrücke (Geräusch, Sprache, Klang) interpretiert werden. Aufgrund der Implantation geht in aller Regel der letzte Hörrest des operierten Ohres verloren. Es ist ein ziemlich komplexer
Prozess und die Qualität/Vielfältigkeit ist sicher nicht mit der des
natürlichen Hörens vergleichbar; doch zumindest ein (verbessertes)
Sprachverstehen kann bei Vielen wieder erreicht werden. Dazu muss das Hören
aber (wieder) neu gelernt/trainiert und alte Nervenbahnen reaktiviert oder gar
neu geschaffen werden (eigentlich ganz Ihr Thema). Bei mir wird
nur ein Ohr implantiert und da meine Ohren in etwa gleich "gut" sind,
kann ich die Seite frei wählen. Empfehlungen wie "nimm das bessere/das
schlechtere/Dein Lieblings-Ohr"laufen bei mir ins Leere, da ich meine Ohren
so nicht einteilen kann. Es sind einfach zwei, die zusammengehören/-arbeiten
-allerdings ist mir die Aufgabenteilung noch nicht ganz klar. Deswegen wollte
ich schon seit Wochen eine Frage an Sie richten, konnte sie aber nie "richtig
greifen" bzw. treffend formulieren. Inzwischen ist mir klar, dass ich mir
keine Antwort auf eine bestimmte Frage erhoffe, mich jedoch brennend für
Ihre Gedankengänge interessiere, die Sie zu einer Entscheidung (Wahl des
Ohres) führen würden. Nur um Mißverständnisse zuvermeiden:
die Entscheidung welches Ohr ich implantieren lasse, will/werde ich natürlich
selbst treffen;-) Doch welche Aspekte wären z.B. bei einer gehirngerechten
Seitenwahl zu berücksichtigen? Schließlich muss mein Gehirn die Hauptarbeit
leisten und zwei völlig verschiedene, teilweise neue Höreindrücke
zu einem Gesamteindruck verarbeiten und richtig interpretieren. Soweit ich weiß, ist
das linke Ohr mit der rationalen/analytischen/verbalen (linken) und das rechte
mir der kreativen/ musikalischen/künstlerischen (rechten) Gehirnhälfte
verbunden, da die Umschaltung auf die gegenüberliegende Körperhälfte
erst ab der Halswirbelsäule erfolgt - ist das richtig? Wäre eher ein
analytisches Ohr hilfreich, das z.B. die einzelnen Worte aufgrund
der erkannten Buchstaben/Satzteile richtig kombiniert oder wäre doch eher
ein kreatives Ohr von Vorteil, das sich z.B. anhand der Sprachmelodie
oder Silbenlänge das richtige Wort/die richtige Bedeutung ausmalt
und ggf. auch eher Stimmungen/Zwischentöne aufnimmt? Ich hatte mich bisher hauptsächlich
von praktischen Erwägungen(zum linken Ohr) leiten lassen (links ist z.B.
mein telefon-trainierteres Ohr, ich sitze zu Hause/im Auto üblicherweise
rechts, ich schreibe während des Telefonierens rechts mit, ...), die natürlich
auch eine große Rolle spielen. Nun bedanke ich mich ganz
herzlich für Ihre Geduld und Ausdauer beim Lesen dieses - leider doch sehr
langen - Beitrags und würde mich wirklich sehr freuen, wenn Sie mir darauf
antworten. Falls der Inhalt tatsächlich auch für andere interessant
sein kann, stimme ich auch einer (am liebsten anonymen) Veröffentlichung
in Ihrer Wandzeitung zu. Herzlichen Dank und viele
Grüße |