Lernstress für Lehrer
23.1.06
Liebe Frau Birkenbihl, seit
dem WQS-Seminar bei Herrn Dr. Böhm zum Tag der Bildung in Dresden habe
ich einige Ihrer Werke regelrecht verschlungen, fleißig ABC-Listen geschrieben
und einige KAWAs kreiert. Trotzdem ist mein Problem geblieben: ich arbeite gerne
als Lehrerin - aber mir fehlt jegliche Motivation, mir die Lehrinhalte so zu
erarbeiten, dass ich sie gut beherrsche.
====== das ist das eigentliche problem der meisten menschen, die irgend etwas
vermitteln sollen. - fehlender bock, die nötigen vorarbeiten zu leisten,
um gehirn-gerecht zu unterrichten.
Zwar haben mir schöne
bunte KAWAs jetzt schon einige Themen versüßt, aber stets habe ich
Angst, dass es zu wenig ist, was ich weiß (und vor allem habe ich dann
bis zur nächsten Leistungskontrolle schon wieder so viel vergessen, dass
ich mir nicht vorstellen kann, dass die Schüler noch alles wissen).
====== je mehr wir pauken, desto mehr vergessen wir. je gehirn-gerechter wie
hingegen LERNEN, desto mehr wissen wir hinterher. wenn man das einmal kapiert
und in der praxis erlebt hat, dann stellen viele freiwillig um, lehrer wie schüler!
*******Wenn ich recht darüber nachdenke, ist mein Lernen wahrscheinlich
wirklich noch viel näher am Pauken als am gehirn-gerecht Lernen. Aber es
ist unheimlich schwer, alte Gewohnheiten umzustellen, auch wenn ich es theoretisch
besser weiß und fast jede Übung in Trotzdem Lehren und WQS mitgemacht
habe. Die konkrete Anwendung auf "meine" Themen gelingt mir selten.
===== tja, wie wollen lehrer, die probleme haben, zu lernen, schüler zu
gutem lernen hinführen??? es ist wie ein blinder, der blinde führen
soll, solange die lehrer sich nicht sehend machen. das ist mit aufwand verbunden,
aber den fordert man ja von den schülern auch tagtäglich! nur daß
der aufwand für schüler zm pauken erheblich ist und wenig bringt,
statt daß man lehrende auf gehirn-gerechte wege umpolt , wo der aufwand
weit geringer wird, die ergebnisse aber super werden. schade, daß so wenige
lehrer bereit sind, ihrerseits zu investieren, damit am ende alle profitieren
können, gell? so werden wir unsere jugend nicht für die wissens-gesellschaft
fit machen. da reicht pauken nicht mehr.
Dies führte nun wiederum
dazu, dass ich im Stoffplan ganz schön hinterherhänge - und die Schüler
die Lks mit relativ guten Ergebnissen beenden.
======= Lks??? was ist das?
*********Lks sind Leistungskontrollen. Hier sehe ich das Problem, dass ich die
Schüler solange üben und anwenden lasse, bis auch ich es verstanden
habe (etwas überspitzt ausgedrückt). Da die meisten Schüler
dann für eine Lk zusätzlich noch auswendig lernen (so sind sie es
halt gewöhnt), gibt es kaum schlechte Noten. Um den Ball-im-Tor-Effekt
noch zu nutzen, habe ich die Lks zuletzt meist gleich mit den Schülern
ausgewertet (Arbeiten tauschen, Lösungen vorlesen und korregieren), sofort
nach Beendigung der Lk.
===== sicherlich hilfreich, nur schade, daß Sie das pauken dazwischen
als gottgegeben anzusehen scheinen...
Dazu muss ich vielleicht
noch erläutern, dass ich Wirtschaftspädagogik (mit Hängen und
Würgen) studiert habe, seit fast 6 Jahren (mit Babypausen) unterrichte
und nun erstmalig z.B. rechtliche und institutionelle Rahmenbedingungen der
Altenpflege, Praxisorganisation für Arzthelferinnen oder Gütertransport
(Fördertechnik) bei Lagerfachkräften lehre.
===== wohl kaum Ihr traumfach, oder??
**********Richtig erkannt. Ich habe dem Ganzen jedoch bisher immer den Vorzug
abgerungen, dass alles, was ich mir (leider immer noch schwer) erarbeiten muss,
gut zu vermitteln geht. Schließlich ist der Weg der Erkenntnis bei mir
dann noch so frisch, dass ich ihn für die Schüler nachvollziehbarer
bzw. etwas weniger steinig gestalten kann. Muß ich hingegen Themen unterrichten,
bei denen ich voll im Stoff stehe, passiert es schon eher mal, dass ich zu fix
vorgehe, oder den Schülern Unbekanntes als Bekannt voraussetze.
===== tja, aber mit den gehirn-gerechtem methoden (s. trotzdem lehren) würden
die schüler in weit größerem maß sich selbst erarbeiten
dürfen, wobei Sie dann ja SEHEN, welches tempo sie einschlagen. trotzdem
sollten lehrer aus dem vollem schöpfen, wenn sie als lehrer fungieren,
nicht den schülern nur einige zentimeter voraus sein. die schüler
bekommen noten etc., der lehrer nicht. irgendwie erscheint es mir unfair...
Ihnen nicht? die konsequenzen für die schüler können deren ganzes
leben versauen, wenn sie schlecht abschneiden...
Sie haben sich ja mit z.B.
der Quantenphysik ein "schweres" Lern-/Lehrgebiet gewählt - aber
die Zeit für eine so langfristige Erarbeitung bietet mein Lehreralltag
nicht.
====== nun, ich habe neben der q-physik an ca. 17 weiteren themen gearbeitet,
in den 10 jahren der vorbereitung auf den vortrag. aber ich begann bei null,
mir fehlten extrem viele naturwissenschafltiche grundlagen, die ich mir im selbst-studium
erst aneignen mußte, das ist kein direkter vergleich. außerdem tat
ich all das damals u.a. auch, um meiner lern- und lehrmethoden weiterzuentwickeln,
also hatte alles einen zweiten sinn und wurde auch methodisch und didaktisch
bearbeitet...
Ich habe zu Beginn des Schuljahres
erfahren, was zu unterrichten ist, und nun stottere ich so vor mich hin. Zugleich
bin ich nach dem Unterricht so ausgelaugt, dass ich keine Lust mehr auf Unterrichts-Vorbereitung
habe- obwohl ich ohne Probleme noch ein gutes Buch lesen bzw. durcharbeiten
(wenn es von Ihnen ist) kann.
====== weil es Sie interessiert. schon klar...
Meinen Schülern scheint
der Unterricht bei mir ja trotzdem halbwegs zu gefallen (da frage ich mich dann
immer, was denn die anderen Lehrer so bieten). Haben Sie vielleicht noch eine
Idee, wie ich mich für die teilweise nicht mal uninteressanten Themen so
begeistern könnte, dass mir die Arbeit wieder Spaß macht?!
======= eine leichte technik sieht so aus: neuer themenabschnitt beginnt.
1. alle schülerInnen machen ABC.s (2 min.), was sie zum thema wissen oder
wissen möchten.
2. vergleich in klein gruppen (Sie wandern herum und schauen ein wenig. dabei
werden viele assoziationen in Ihrem kopf ausgelöst und Sie können
den folgenden unterricht ein wenig auf diese punkte abstellen).
3. steigen Sie mit einem WQS ein (es muß ja nicht viele fragen beinhalten,
aber sie sollten möglichst spannend sein (vgl. auch mein e-book WQS - bei
aktuell - es zeigt u.a. wie man wissenspointen aufbaut)
********Das Büchlein WQS in 30 Minuten hat mir gut gefallen. Doch auch
hier mein Problem, das ganze auf meine Themen anzuwenden. Irgendwie findet sich
nie die rechte Textgrundlage. Wenn ich meine Fragen formuliere, denke ich oft,
wen interessiert das eigentlich?
===== das sind genau die fragen, die hinterher niemanden vom hocker reißen!
deshalb habe ich noch ein tages-semianr in e-book form (s. aktuell schublade)
geschrieben,, darin geht es u.a. darum, wie man wissensopinten erzeugt. das
hatte das kleine büchlein nicht rüberbringen können...
So gelingt es mir auch kaum,
eine pointierte Antwort zu finden. (Die Frage ist wahrscheinlich eher, warum
müssen die Schüler das Uninteressante wissen, wenn sie es wahrscheinlich
nur für die Prüfung aber nicht für die Praxis gebrauchen
können.)
===== nun., alles, aber auch alles, was wir im wissens-netz herumtragen, kann
uns später helfen, neues zu verstehen. je mehr darinen ist, desto besser
für die zkunft. weil es später PARALLELEN geben wird. deshalb kann
man auch "solche" dinge lernen, wenn sie mit einigen spannenden fragen
spannend GEMACHT werden. das ist eine der aufgaben der lehrenden, wenn es den
texbuchautoren schon egal ist...
Da habe ich mit Lückentexten
schon bessere Erfahrungen gemacht, mit denen wurden auch uninteressante Texte
richtig spannend.
===== dann machen Sie doch mit denen weiter. jeder lehrende solte seine lieblingstechnien
entwickeln, dann ist es für Sie villeicht eher lücke als WQS. das
ist ok.
4. in der zweiten WQS-runde beantworten Sie die fragen (hier sitzt der sog.
frontal-unterricht, er stellt den frage-beantwort-teil dar). während dieses
teils legen die schülerInnen aktiv-ABC.s an, dies ergibt eine art von protokoll,
aber in ABC-form.
5. diese listen können in kl. gruppen wieder kurz verglichen werden, dabei
füllen die schülerInnen lücken und helfen sich gegenseitig, das
macht spaß und erhöht die fähigkeiten, sich material "anzueignen"
statt passiv konsumieren zu wollen)
*********Die ABC-Listen finden die meisten Schüler ja ganz o.k., aber sie
verlangen i.d.R. noch einen "richtigen" Tafelanschrieb mit ordentlicher
Überschrift und nach Hause tragbarem Wissen. Ich stimme zwar mit Ihnen
überein, dass die ABC-Listen das Wesentliche von dem enthalten, was man
gelernt hat, aber meine Schüler wollen (die die lernen wollen), sozusagen
lieber in Lehrbuchform im Hefter alles nachlesen können (Vielleicht,
weil sie eben noch nicht alles verstanden haben und sich erhoffen, den Rest
beim Wiederlesen des Hefters zu verstehen.)
===== oder weil sie bisher zu unselbständigem denken erzogen wurden und
ein wenig hilfe brauchen, um vertrauen in eigene denkprozesse zu entwickeln.
wenn das nicht bald geschieht, im berufsleben kommt das dann nicht von alleine
und für befehlsempfänger, die alles vorgedruckt und vorverdaut haben
wollen ist in der zukunft nicht viel platz, das sind die leute, die dann im
arbeitsamt schlange stehen...
6. nun erstellen die schüler (als hausaufgabe) eine "prüfung"
zum thema, wobei jedes team von einigen schülern nur 2 - 4 fragen erarbeiten
muß. also keine große arbeit aber die fragen ergeben material für
ein quiz-spiel kurz vor der prüfung. wenn dieses quiz sprechend gespielt
wird, haben Sie die kontrolle, wo noch lücken sind, die Sie vor der prüfung
schließen wollen, um Ihren schülerInnen eine faire chance zu geben.
**********Bei der Vorbereitung der letzten Lks habe ich die Schüler paarweise
Karteikarten erstellen lassen - Vorderseite eine Frage, Rückseite die Antwort-.
Schon das Formulieren der Fragen bereitet den meisten echte Probleme. Dann wollen
die Schüler die Antwort wortwörtlich aus dem Hefter oder Buch übernehmen.
==== sicher, damit sie nicht selber denken müssen (s. letzter absatz oben).
und das ist es, wogehen Sie als lehrender gegensteuern müssen, wenn Sie
die jungen leute lebensfit für die zukunft machen wollen! wenn Sie im buch
trotzdem LEHREN das modul mit den lehrerfragen lesen, erhalten Sie weitere spannende
anregungen. Sie können sicher auch manches, was ich bei GESCHICHTSUNTERRICHT
vorgeschlagen habe, abwandeln. abgesehen davon, daß das buch ca. 30 methodische
ansätze bietet...
************** Ich habe gerade noch mal nachgelesen. Dabei bin ich dann im Inneren
Archiv gelandet (M14 Lehrermodul). Hier bekomme ich gleich wieder mein schlechtes
Gewissen, weil ich doch mein Fach noch nie geliebt habe. (Motivation für
das Studium waren für mich haupsächlich die guten Arbeitsmarktchancen.) Lieben
Sie eigentlich inzwischen die Quantenphysik?
===== aber sicher. ich bin auch immer wieder am thema drangeblieben, wiewohl
ich keine weiteren vorträge hierzu geplant hatte. zur zeit sind die string-theorien
sehr spannend. mittlerweils liest man sogar in focus und spiegel schon etwas
über die neuesten ergebnisse... Sie können sicher auch manches,
was ich bei GESCHICHTSUNTERRICHT vorgeschlagen habe, abwandeln. abgesehen davon,
daß das buch ca. 30 methodische ansätze bietet...
Noch eine Zusatzfrage: Warum
wird eigentlich immer von den Lehrern erwartet, dass sie alles wissen und können,
was sie unterrichten (sollen)?
====== das ist ja er irrwitz. völlig unnötig. so lernen auch schülerInnen
nicht, daß es nicht so wichtig ist, was man heute weiß, sondern
ob man herausfinden kann, was man wissen muß (wo man nachschlägt,
heute im google-zeitalter leichter denn je!)
*********Dies versuche ich meinen Schülern auch immer wieder zu verdeutlichen.
Sie können gerade noch so akzeptieren, wenn ich Ihnen sage, dass ich auf
bestimmte Fragen auch erst nach Literatur- oder Internetstudium antworten kann.
Wenn ich sie jedoch auffordere, selber ebenfalls zu hause nach einer Lösung
zu suchen, tun dies höchstens ein oder zwei Schüler von zwanzig (wenn
überhaupt).
====== tja, und so soll es bleiben?? bis in alle ewigkeit?
Selbst in Ihren Werken verlangen
Sie dies von den Lehrern
====== das ist nicht wahr. ich verlange daß Sie weit mehr wissen, als
sie vortragen, nicht aber, daß sie alles wissen. das habe ich niemals
verlangt. ich wehre mich vehement gegen diese anschuldigung. das würde
ich nie behaupten. ich erkläre nur, daß die meisten redner, lehrer,
berater etc. weit weniger wissen, als sie wissen SOLLTEN, nicht aber, daß
sie alles wissen sollen. das ist ein gewaltiger unterschied.
********* Aber woher weiß ich denn, wieviel ich wissen sollte?! Und wenn
ich aus meinem schlechten Gewissen, zu wenig zu wissen, eher den Schluss ziehe,
nur wer viel weiß, weiß dass er zu wenig weiß, tröstet
mich das auch nicht so recht.
===== auch SIe müssen den mut entwickeln, sich mit gewissem nichtwissen
zurechtzufinden. solange man ständig am thema weiterarbeitet, kann man
auch mit lücken leben.. das ist teil der sache, aber zu wissen, daß
es auch lücken gibt ist halt wichtig, während die schule gern den
eindruck vermittelt, wenn man die hausaufgabe hinter sich hat, wisse man alles
wesentliche, gell?
obwohl sie gleichzeitig
zum Lückenmangement raten.
====== das eine schließt das andere doch nicht aus, wenn Sie die unsinnige
forderung des "alles wissen" löschen! viel wissen und trotzdem
mit lücken umgehen können, das ist es, was ich z.b. meinen teilnehmern
vorlebe. wenn Sie die DVD- und VHS mitschnitte mnehmen - jede einzelne war einst
ein JUNGFERN-VORTRAG, ein für mich noch neues thema - aber das darf man
halt nur marginal merken (wenn ich mal meine folien nicht finde o.ä. scherze.
aber inhaltlich merkt man es in der regel nicht und wenn man eine panne passsiert,
dann wird er mit fehler-toleranz beantwortet (statt wie früher mit totaler
panik. ok?
************** Die Antwort gefällt mir - wobei ich von Panik sicher weit
entfernt bin. Übrigens gefällt mir in der Hinsicht Ihr Vortrag im
Rechentraining sehr gut.
===== danke. da steckten auch ca. 10 jahre vorbereitung drin... er kommt übrigens
bald aus DVD heraus...
Mit freundlichen Grüßen
auf eine helfende Antwort hoffend
===== das buch trotzdem LEHREN ist VOLLER HELFENDER IDEEN. wenn Sie möglichst
viel mit FRAGEN arbeiten, und Ihre schüler möglichest viel selbst
erarbeiten lassen, lehren SIe diese, sich selbst zu belehren und müssen
selbst weit weniger vortragen...das ist für BEIDE SEITEN bestens und macht
beiden mehr spaß!
vfb
(Name der Red. bekannt) |