Wenn Eltern alt werden
... 17.12.05
Was die Situation meine Mutterund ich zum Problem
macht.
Sehr geehrte Frau Birkenbihl,
vielen Dank für Ihre Bücher und Veröffentlichungen. Ich greife
seit vielen Jahren regelmäßig nach Birkenbihl im Bücherregal
und auf Ihre Denkanstöße und Ideen für erfolgreiche Problemlösungen
zurück. Zur Zeit beschäftige ich mich sehr mit der Beziehung zu meiner76-jährigen
Mutter. Ich bin mit den Entscheidungen meiner Mutter imHinblick auf ihre Lebenssituation
im Allgemeinen nicht mehr einverstanden, zumal diese Entscheidungen mit ziemlicher
Sicherheit das gewünschte Ziel, ein unabhängiges Leben in den eigenen
vier Wänden, verfehlen werden.
Meine Analyse der Situation hat mich bis dahin gebracht, dass ich die Ängste
und Nöte meiner Mutter zwar kenne, ihr offensichtlich aber im Gegensatz
zu früheren Jahren nicht nehmen kann. Im Gegenteil, jeder Versuch
erzeugt einen jetzterstrecht-trotzigen Widerstand. (Für eine beginnende
Demenz gibt es z. Zt. leider weder Ausschluss noch Bestätigung.)
====== es gibt gewisse alterserscheinungen, die nicht auf demenz hinlaufen,
z.b. daß das neuronale geschehen LANGSAMER wird (weil einige bahnen ausfallen
und dinge dann länger dauern) aber d.h. nicht, daß die gedanken deshalb
dümmer sein müssen, wiewohl kinder das oft annehmen. zweitens gibt
es im alter eher probleme, neues vom kurzzeit in den langzeitspeicher zu überführen,
das hat mit neuropeptiden zu tun, die im alter weniger gebildet werden, auch
das muß in keinster weise mit demenz einhergehen. nur "nerven"
einen leute, die anders denken sowieso und in der eigenen familie hat man oft
noch weniger toleranz (das heißt die fähigkeit zu ERTRAGEN, ERLEIDEN
ERDULDEN) als bei chefs, oder fremden. deshalb spricht der volksmund ja davon,
daß (räumliche oder familiäre) nähe von nachteil sein kann
(familiarity breeds contempt). dann ist man sicher, daß der alte mensch
lauter dumme entscheidungen trifft und will ihn unbedingt davon abbringen. wie
soll sich ein älterer mensch in unserer jugendverliebten welt verhalten?
früher galten alte als WEISE und konnten, aufgrund des respektes, der ihnen
AUTOMATISCH zufloss, sicher insgesamt weit leichter mit der umwelt klarkommen
als heute, wo jeder sich erdreistet, jeden zu kritisieren, insbesonders die
eigenen kinder. das alleine muß einen ja schon total ver-UNSICHERn, und
das ganze kommt von kindern, die es ja GUT MEINEN. ich bin überzeugt davon,
daß auch Sie es GUT MEINEN, nur GUT GEMEINT kann trotzdem erschreckend
verletzend sein...
Vor kurzem las ich Ihr Vorwort
zur deutschen Ausgabe von Phillip C.McGraws Titel Lebensstrategien.
Sie beziehen sich darin auf die Aussage, dass jeder selbst bestimmt, wie andere
ihn behandeln.
======= möglicherweise tragen manche alte leute durch weinerlichen tonfall,
herumjammern oder andere "macken" dazu bei, daß andere sie infantilisieren.
hier könnte ein HELFER gezielt gegensteuern, daß es nicht zu oben
beschriebenen auswirkungen kommt. es gibt pfleger unter den ZIVIs, die jedem
menschen mit achtung und respekt zu begegnen vermögen. in deren nähe
benehmen sich die schrulligsten alten plötzlich weit "verständiger".
vielleicht steuern diese menschen geben und haben die stärkere ausstrahung,
die dem alten menschen wieder etwas vom verlorenen selbst-respekt und würde
zurückgibt? dann sind die HELFER diejenigen, die McGraws satz wahr machen.
Wie kann ich der oben beschriebenen
Situation besser gerecht werden? Kann ich durch meine Kommunikation und mein
Verhalten auch dann noch Einfluss nehmen, wenn es scheint, als ob sich die gewohnte
Eltern-/Kind-Beziehung beginnt umzukehren?
====== als meine oma auf die 90 zuging hatte sie nach einem infarkt
erst wieder richtig sprechen gelernt und ein arm blieb weitgehend unbenutzbar,
aber wie wohnte (auf eigenen wunsch ab dem 79. jahr) in einem christlichen altersheim,
wo man die menschen mit würde behandelte. wenn ich sie besuchte, sah ich
nie alte wirre leute über die gänge irren oder ähnliches. die
nachbarinnen, der die oma mich immer stolz präsentierte (meine enkelin
besucht mich heute) wirkten alle aufgeräumt und "heil" etc. ich
glaube kaum, daß dieses altersheim nur gesunde alte beherbergte sondern
daß der geist des hauses viel dazu beitrug, daß die menschen dort
in würde altern können.
Ich freue mich, wenn Sie
mir mit einem Gedanken zu diesem Thema weiterhelfen können.
===== ich weiß nicht, ob es Ihnen wirklich helfen kann... ich hoffe es.
es kann ein sehr schweres problem sein, aber ich bin immer wieder erstaunt und
voller bewunderung, wenn manche menschen alten menschen oder den eigenen eltern
beistehen können, ohne sie wie kleine kinder zu behandeln...
vfb
Vielen Dank und freundliche
Grüße
Barbara Krug
6.1.06
Sehr geehrte Frau Birkenbihl, zu diesem Beitrag kann ich auch
von meinen eigenen Erfahrungen erzählen. Früher schon als Schulkind
gab es kein Wochenende oder keine Ferien wo ich nicht bei meiner Oma war. Wir
beide haben immer eine mehr als schöne Zeit miteinander verbracht. Ja irgendwann
kommt dann auch die Situation wo meine Oma mal HILFE brauchte, die sie auch
von mir bekam. Ich habe sie über mehrere Jahre gepflegt. Sie war uneingeschränkt
bis zwei Monate bevor sie starb (sie starb fünf Tage nach ihrem 96. Lebensjahr
)in ihrer eigenen Wohnung. Bei der Frage ob sie zu uns kommen möchte, sagte
sie immer, sie wolle nicht weg von ihrem Wohnort, was ich immer akzeptierte
und auch durchgezogen habe, so wie sie es wollte. Meine Oma war bis in die letzte
Minute bei klarem Verstand. Meine Mutter war nicht immer einverstanden wie sich
meine Oma verhalten hatte, da musste ich öfters einlenken, da meine Oma
eine eigenständige Persönlichkeit war. Beispiel: Meine Oma hat immer
die Scheibengardine zur Seite gezogen damit sie auf die Straße sehen konnte.
Mich hat es nicht gestört, da es Omas WILLE und ihre WOHNUNG war, aber
wenn meine Mutter dabei war schwupp war der Vorhang zugezogen und meine Oma
hat es kritisiert und das zu Recht. Genau so hatte meine Oma einen Stuhl auf
dem sie immer ihre Schuhe angezogen hat an einer Stelle stehen, der meiner Mutter
auch nicht passte. Der sehe da nicht gut aus, meinte sie. Meine Antwort war:
Wie das aussieht ist egal, es ist Omas REVIER das sie sich so gemütlich
und für sie praktisch wie ihr möglich einrichte. Ich gehe ja auch
nicht bei meinen Eltern hin und räume einfach, weils mir nicht gefällt
um, denn da würde meine Mutter auch meckern. Das sind doch alles keine
Dinge über die man sich aufregen oder streiten muss. Das Leben ist doch
viel zu kurz um sich mit Lapalien aufzuhalten, man sollte doch viel lieber die
schöne Zeit miteinander geniessen. Omi und ich waren immer ein gutes Gespann.
====== danke für einen einblick, wie es auch sein kann. dem brauche ich
weiter nichts hinzufügen.
:-))
vfb
Viele liebe Grüße
Marga Balke |