LEHRER-FRAGEN in Trotzdem
Lehren (Geschichts-Unterricht) 15.11.05
Science Fiction - Reise ins Mittelalter
Liebe Vera F. Birkenbihl,
als Gymnasiallehrer für Geschichte an einem Schweizer Obergymnasium bin
ich immer wieder auf der Suche nach neuen Ideen für die Unterrichtsgestaltung.
Sie haben in Ihrem Buch Trotzdem Lehren, (Ausgabe 2004, Seite 236),
eine Science Fiction- Zeitreise in die Vergangenheit skizziert. Ich überlegte,
wenn Jugendliche ScienceFiction-Geschichten als Phantasiereisen in die Zukunft
mit enormem Interesse verschlingen, so müsste das auch in die Vergangenheit
möglich sein.
====== das verändert allerdings die prämisse, unter der die zukunftsreise
im buch geschildert wurde, mal sehen...
So bekamen zwei Klassen
(Alter 17) die Aufgabe, eine solche Science Fiction Reise ins Mittelalter (ca.
für das Jahr 1000 n.Chr.) durchzuführen und dabei ihre Erlebnisse,
Vorstellungen und (fiktiven) Begegnungen in einem Reisebericht oder in einer
kurzen Romangeschichte festzuhalten.
====== wenn ich das richtig verstehe, geschah dies VOR dem unterricht?das heißt,
die schüler nutzten diese idee nicht (wie bei meinem sf-vorschlag) dazu,
vorhandene daten und fakten (aus lehrbuch, unterricht, internet etc.) kreativ
zu VERARBEITEN? dann sehe ich probleme...
Das Interesse beider Klassen
an dieser Aufgabe war grundsätzlich positiv und sie gingen mit echtem Enthusiasmus
an die Arbeit. So weit so gut. Kommen wir nun gleich zum Ende dieser Unterrichtssequenz.
Das Ergebnis befriedigte nicht, weder die Klassen noch mich selbst! Was war
schiefgelaufen?
======= die schüler hatten nur ihre phanatasie, damit kann man kein neues
wissen über eine periode der menschheitsentwicklung schaffen.selbst wenn
alle zusammenarbeiten würden (statt kleingruppen unter sich) würden
alle zusammen wohl auch nur 50% der fakten kennen, auf die es Ihnen als lehrer
wohl angekommen ist? was meinen Sie?
Einerseits stellte ich fest,
dass alle Jugendlichen der beiden Klassen mehr oder weniger brauchbare, wenn
auch oft lückenhafte Informationen über das Mittelalter schon besassen,
z.B. über die Burgen und Ritteroder über die Armut und die Leibeigenschaft.
===== aber wohl nicht genug, um die reise ins mittelalter faszinierend zu gestalten,
sonst wären diese jugendlichen totale ausnahme-schülerInnen.
Im Nachhinein wird mir klar,
dass ich von falschen Prämissen ausgegangen bin. Eine Science Fiction Reise
in die Zukunft lässt alle Phantasien zu, während eine solche Reise
1000 Jahre zurück bereits teilweise bekannte Fakten impliziert.
====== so isses. meine vorschläge stellen zwei möglichkeiten in den
raum: erstens, das nachträgliche verarbeiten von gelernten fakten(spannender
als jede prüfung, zeigt dem lehrer aber, wieviel gelernt wurde und ob er
die offizielle prüfung ansetzen kann) oder aber das gemeiname ERARBEITEN
(es fehlt nur ein buchstabe zum VERARBEITEN, hihi), d.h. die schüler studieren
buch, internet und andere quellen und bereiten die daten in form der sf-aufgabe
aus. hinzu kommt, das ich auch vergangenheitsaufgaben vorschlage, bei denen
es aber immer spezifische fragen zu beantworten gilt, z.b. welche unserer heutigen
alltags-gegenstände dürften bei einer zeitreise in die
vergangenheit nicht auftauchen, weil es diese damals noch nicht gab? solche
konkreten problemstellungen erlauben auch schülerInnen eigenständige
recherchen, weil sie wissen, was sie suchen. wenn man junge leute aber ohne
geländer auf eine geistige reise via eigene phantasie schickt, dann stelllt
man u.u. eine interessante aufgabe für den deutsch-unterricht, nicht aber
für geschichte.
Dadurch verliert die Methode
ihren durchaus berechtigten Reiz und die gute Motivation verpufft. Es stellt
sich nun die Frage, wie weit sich die Methode unter veränderten Prämissen
trotzdem für den Geschichts-Unterricht verwenden lässt.
====== s. oben
Müsste man die Schülerinnen
und Schüler zunächst die Fakten aufarbeiten lassen, damit sie diese
in ihre Zeitreise einbinden können?
====== klingt gut...
Grundsätzlich finde
ich den Ansatz einer Reise in die Vergangenheit, in der die Schülerinnen
und Schüler selber aktiv sich auf die Reise machen, sehr gut. Ich denke
Sie können hier mit Ihrem enormem Ideen-Spektrumsicher weiterhelfen.
====== schauen Sie noch einmal in das kapitel hinein. vielleicht habe ich nicht
klar gemacht, daß die ZUVOR aufgestellt regel, daß die schüler
mit lehrstoff arbeiten (und nicht nur im eigenen kopf) immer noch gilt. ich
bin gerade an der überarbeitung zur 3. auflage und werde die stelle noch
einmal ansehen und das klarer herausstellen. das könnte Ihre panne ausgelöst
haben. auf der anderen seite lernen wir ja nur alle mehr, wenn wir es wagen,
zu experimentieren (probieren ohne angst). es freut mich besonders, wenn lehrkräfte
es wagen. ich hoffe, Ihr zweiter versuch verläuft ertragsreicher. bitte
melden Sie sich wieder, wenn es so weit ist...
vfb
Für eine Antwort bin
ich sehr dankbar.
Satorius |