Begabt, erfolgreich,
massive Versagensangst 21.2.04
Liebe Frau Birkenbihl,ich
schätze Sie außerordentlich! Die Wandzeitung und Ihre Publikationen
sind mit der Zeit mein tägliches Frühstück geworden. Ich bin
beeindruckt von Ihrem enormen Arbeitstempo und vor allem, von der Vitalität
mit der Sie Ihr Denken und Fühlen vermitteln. Bei aller Betroffenheit die
Sie auch bei mir auslösen - es ist sehr vergnüglich für mich,
Sie zu lesen. Ich bekommesoviel von Ihrer Person mit, dass ich fast das Gefühl
habe, wir seien befreundet. Natürlich lache ich jetzt, es war mir nämlich
gar nicht bewußt. Danke!
Ich bin Schauspielerin u. neben eigenen Projekten unterrichte ich einzeln u.in
Gruppen. Seit einem Jahr arbeite ich mit einem Schüler, der als Künstler
und erfolgreicher Geschäftsmann unter einer starken Redeangst litt u.zT.noch
leidet. Wir arbeiteten am Ausdruck seiner sehr guten Reden u.Präsentationen.
Es gelang tatsächlich, mit Hilfe von Atmung+Erdung+versch.spielerischen
u. assoziativen Methoden, den Platz "dort vorn" für ihn zuerwärmen
u. seine Potentiale nicht nur zu sagen sondern auch spürbar zuvermitteln,
dh. seiner Vitalität eine Bahn zu bauen. (Ich unterscheide in meiner Arbeit
zwischen "persönlich" und "privat". "Privat"
ist gänzlich uninteressant ((im öffentlichen Raum)) u. vermittelt
sich durchproblematisch Atmung, Stimmsitz, Artikulation...u. den"gefangenen
Körper" u.lenkt letztendlich vom Inhalt ab - u. "persönlich"
ist unverzichtbar - ist die Brücke von Person zum Inhalt zum Hörer.
Siehe z.B.Publikationen+Fernsehauftritte Vera Birkenbihl.)
Innerhalb der Arbeit wurde der Kern des Problems deutlich. Das Versagen-Gefühl
vor dem nur manchmal anwesenden u. dann sehr mächtigen Vater (Kapitän)
war so tiefgreifend, dass es in jeder Präsentationssituation (u. nur da)
wieder allmächtig wurde. So arbeiteten wir parallel an einer Rolle aus
der Griechischen Antike- bestens geeignet fürs schlichte da/hier-sein -
alsoder Pause, fürs Behaupten - also den Punkt. Das Tempo der Vitalisierung
seines Körpers/Ausdruck war atemberaubend. Als hätte sein Körper
darauf gewartet. Die Arbeitsweise Griechischer Antike + Präsentationen
hat starke Ähnlichkeiten. Als Philotekt ist er sensibel u. vital u. vermittelt
eine! Botschaft: die der Person des Philotekt. Dieses Potential auf seinePräsentationen
zu übertragen ist ungeheuer schwierig. Trotz guter Methoden sich innerlich+äußerlich
vom "Privaten" abzugrenzen, gelingt es nicht als Chef+Vetreter seiner
Firma, also in Funktion/Rolle da vorn zu stehen, sondern er regrediert zum "privat-Kind",
was ein enormer Leidensdruck ist.Nun weiß ich aus eigener Erfahrung, dass
inneres Vertrauen Zeit u.beständige Arbeit bedarf zum Wachsen. Auch hat
jeder ein eigenes Tempoder Integration des Gelernten. Mein Gefühl ist,
sorgfältig in der Arbeit bleiben, begleiten, und ihm nachhaltig empfehlen,
sich dass innere Vaterthema geschützt anzuschauen, sprich: eine therapeutische
Situation suchen.
Liebe Frau Birkenbihl, auch wenn ich dieses Problem in der "Kürze"
nur holzschnittartig dargelegt habe - fällt Ihnen etwas auf, was ich übersehen
haben könnte? Ich wäre Ihnen über ein Feedback sehr dankbar.Trotz
meines Versuches mich kurz zu fassen, ist es so geworden. Um meinen Schüler
zu schützen, nenne ich meinen Namen nicht.
====== ich glaube, Sie sind auf dem richtigen weg. Sie könnten vielleicht
mit ihm besprechen, was das schlimmstmögliche wäre, wenn sein vater
anwesend ist, z.b. daß dieser kritisch eingreifen und ihn vor anderen
blamieren könnte? falls ja, müßte man eine gute replik vorher
einüben. andernfalls, wenn es "nur" die angst wäre, VOR
jenem vater zu versagen, dann gibt es mehrere möglichkeiten:
1. entweder der vater ist heimlich stolz auf ihn (das erfahrt man meist erst
über dritte, wenn dieser vater stirbt). das könnte man durch gespräche
vielleicht vorab mal checken....? meist sind es ängste aus der kindheit
und man hat innerlich noch nccht ganz gescheckt, daß man inzwischen erwachsen
ist UND daß der vater das auch weiß.
2. oder der vater ist ein kritikaster, der an allen eher negatives findet, nicht
nur am sohn. damit könnte man sich mal abklären: wer ständig
kritisieren muß, leider selbst innerlich. man projeziert die eigenen ängste
nach außen und kritisiert dieser DORT. damit kann man als "kind"
gut klarkommen, wenn man das mal durchdacht hat.
3. oder sein vater kann sich einfach nicht ausdrücken. ich hatte mal einen
coaching clienten, auch wg. rhetorik, dessen konstallation ähnlich war.
als wie die prüfung (s. 1, oben) vornehmen wollten, stellte sich heraus,
der "ALte" war inzwischen recht schwerhörig geworden und hatte
deshalb PERMANENT ein kritischen gesichtsausdruck, weil er kaum verstehen könnte.
es war also ein INTERNES problem, wirkte aber weil er früher immer so kritisch
gewesen war) wie ein externes.
4. nichts von alledem. es gibt auch situaitonen, in denen sich ein kind einst
in die idee verannt hat, eine mächtige person sei ständig kritisch,
wiewohl dies möglicherweise nie der fall war (insbes. wenn dieser person
viel "weg" ist). ich kannte einen solchen fall. da hatte die mutter
eines jungen bei jeder gelegenheit mit dem abwesenden vater gedroht, der als
handelsvertreter die ganze woche auf reise war. sie sagte immer "warte,
bis der vater heimkommt". später lebte der vater noch, die mutter
aber nicht mehr und noch immer nahm der mensch an, sein vater sähe ihn
nur kritisch, was selbst damals nicht der fall gewesen war, wie sich JETZT ERST
herausstellte, als er ein gespräch suchte (s. 1, oben).
vielleicht hilft das?
vfb
Ich grüße Sie
sehr CZ
========== bitte zur kenntnis nehmen: ich heiße vera F. birkenbihl (wie
john f. kennedy, nur daß er fitzgerald hieß...) danke |