Schlagzeile: Wie liest Vera. F. Birkenbihl ein Buch? 28.11.03

Liebe Frau Birkenbihl, ich nehme Bezug auf unser sehr nettes Telefonat von heute nachmittag und stelle Ihnen eine Frage , auf die ich gerne eine Antwort hätte.
Wie liest Vera F. Birkenbihl ein Buch, zum Beispiel, wenn Sie für einen anderen Autor ein Vorwort schreibt?
Nach welchen Kriterien geht sie vor?
Was ist ihr wichtig?
====== also, dieses procedere habe ich von meinem vater, michael b. gelernt; es ist gold wert, wenn man einen UNBEKANNTEN AUTOR zum ersten mal in erwägung zieht: will ich dieses buch lesen?
1. nach lesen von titel und buchrücken (klappentext) gehe ich
2. ins inhaltsverzeichnis und verschaffe mir einen ersten ÜBERBLICK.
3. dann springe ich nach hinten und suche das STICHWORT-VERZEICHNIS. ein buch ohne hat bereits VIEL potentiellen wert VERLOREN! hier schreibt ein autor für sich, nicht für leser, die schnell mal was suchen wollen. danke, ein wichtiges signal. ist eins vorhanden, dann (s. unten)
4. nun sehe ich nach, ob es quellen-angaben gibt. ich lese keine autoren, die so tun, als hätten Sie sich alles aus den eigenen fingern gesogen oder die nur hier und da im fließtext mal beiläufig eine quelle angeben. ich will ein aphabetisches verzeichnis am ende (selbst wenn es end-notes gibt), damit ich mit einem blick sehen kann, worauf dieses buch basiert. eine einführung in psychologie ohne FREUND-titel ist ein unding, wenn aber FREUD, dann : welche titel hat der autor gelesen (es gibt ja weiß gott mehr als laien denken). bei einem buch über die neue physik ist z.b. wichtig, welche physiker "benutzt" wurden, denn es gibt ja große streitigkeiten (für/wider die string-theorie, multiversen, mikro-schwarze löcher und und und) und da möchte ich mich orientieren EHE ich lese. das spart später sehr viel zeit.
5. ich blättere einmal von hinten nach vorne durch (am daumen vorbei): gibt es BILDER? gibt es zwischenüberschriften? gibt es kasten oder marginalien? wie bietet der autor seine gedanken an? reine bleiwüsten (nur buchstaben) sollte es heutzutage gar nicht mehr geben, minimum wäre eine marginalie! dadurch werden die "endlosen" zeilen kürzer und man kann auch mal was notieren, denn marginalien sind ja nicht von oben bis unten voll... apropos zeilenlänge: prof. pöppel (uni münchen) hat nachgewiesen, daß SPALTEN wesentlich besser als lange zeilen sind, daß lange zeilen eigentlich "gar nicht gelesen werden können", sprich, daß unser gehirn nicht dafür gemacht ist. daher plädiere ich bei büchern mit "viel text" für mindestens 2 spalten-umbrüche. das liest sich weit einfacher...
Ist ein stichwort-verzeichnis vorhanden, dann nutze ich es später beim lesen immer wieder, z.b. um zu sehen, ob dieses thema, das ich gerade auf s. 17 kennengerlernt habe, später noch ein- oder mehrmals auftaucht (da die miten autoren keine querverweise mache, wie ich z.b.). Aber auch VOR DEM EIGENTLICHEN lesen benötige es es bereits, für folgende zwei schritte (bei neuen autoren):
zuerst suche ich einen begriff, zu dem ich etwas weiß, und schlage die erstgenannte seite (bzw. eine seite mit "f" oder "ff") auf. hier sehe ich sehr schnell, inwieweit der autor meiner position weit oder nahe ist. ich lese beide arten von autoren, weiß aber vorher gerne, worauf ich mich einlasse.
danach suche ich einen begriff, der mir möglichst FREMD ist und lese diese stelle. hier kann ich schnell einschätzen, ob ich den stil des autors immer noch gut finde, wenn er mir etwas für mich neues erläutert.
wie gesagt, dieses vorgehen lernte ich von meinem vater - er hat es selbst entwickelt.
vfb

Einen charmanten Tag noch und inter-nette Grüsse
Ihr Stéphane Etrillard