Stichwort: Trauer ausleben? 16.8.03

Liebe Frau Birkenbihl, mit großem Interesse lese ich gerade Ihr Buch "Jeden Tag weniger ärgern". Ich bin begeistert und versuche jeden Tag ein bisschen mehr, Ihre praktischen Ratschläge in die Tat umzusetzen - mit Erfolg!
Meine Frage ist, ob sich diese Ratschläge auch auf das Gefühl TRAUER anwenden lassen. Dort spricht man ja immer davon, dass man seine Trauer ausleben soll, man darf nichts verdrängen, man soll immer wieder darüber reden, weinen, nachdenken usw. Ich leide sehr unter dem Verlust meiner Schwester, die mit 35 Jahren ein Tag vor meiner Hochzeit in den peruanischen Anden (ich heiratete dort einen meinen peruanischen Mann) tödlich verunglückte. Das war vor 2 Jahren und ich habe immer noch nicht herausgefunden, was mir hilft und gut tut. Wenn man mit Trauer wie mit Wut umgehen soll, dann sollte ich Ihrer Meinung nach mich schnell ablenken, an andere positive Dinge denken, und das schreckliche Erlebnis möglichst verdrängen. Was meinen Sie hierzu? Herzlichen Dank für Ihre Zeit!
====== nein. wut ist MEIST (es gibt ausnahmen) ein unproduktives gefühl, das schlimmer wird, wenn man darüber redet oder sie auslebt. daher sollte man hier tun, was man früher immer geraten hat, mehr DISZIPLIN, mehr CONTANANCE etc., um sie zu REDUZIEREN.
trauer ist anders, sie muß ZUNÄCHST erkannt und gelebt werden, damit man sich innerlich von dem menschen verabschieden kann, der nicht mehr da ist. man leidet ja und dieses leiden brutal zu unterdrücken hilft nicht, mit der situation klarzukommen! auf der anderen seite sollte man sich auch darum bemühen, "darüber hinwegzukommen", dh., mit den eigenen leben weiterzumachen, deshalb hatte man früher EIN TRAUERJAHR - manchmal ZWEI - in denen man trauer trug und offiziell "trauerte", aber danach sollte man sich wieder dem leben zuwenden. in den asiatischen ländern baut man einen kleinen altar für die toten, mit ihrem bild, frischen blumen und dann begibt man sich manchmal dorthin, zöndet eine kerze (räucherstäbchen) an und nimmt stumme zwiesprache mit der person. hier gehen manche zum friedhof aus demselben grund, aber ich glaube daß der platz im HERZEN wichtiger ist, als der reale - insbes. bei unfallopfern. also, fazit: nicht einfach "wegdrücken" wie die wut - aber sich auch nicht erdrücken lassen. ich glaube nicht, daß unsere verstorbenen (inkl Ihrer schwester) wollen würden, daß wir aus dem tränental nicht mehr herauskommen, oder ...?
vfb

Ihre Eva Schüler