Stichwort: Sterben - ein Prozess des Stammhirns? 11.3.03 Liebe Frau Birkenbihl, vor einiger Zeit habe die Alpha-Sendung in der Sie über den Umgang mit demTod sprechen, gesehen und ich denke, Sie sind die Person, die meine Frage beantworten kann: ich arbeite seit 10 Jahren als Krankenschwester mit sterbenden Menschen. Es ist Teil meiner Aufgabe, den Sterbeprozess zu unterstützen. Nun habe ich eine These: die Endphase des Sterbeprozesses findet (analog zum Geburtsvorgang) im Stammhirn statt. Das würde bedeuten, dass wir diesen Prozess mit Fragen ("Haben Sie Schmerzen; Liegen Sie gut?") durch grobe sensorische Reize wie Blutentnahmen oder Blutdruckmessen, nachhaltig stören, da allein der Versuch des Patienten, darauf zu antworten eine Cortex-Aktivität erfoderlich machen würde .Ihn also aus dem Alpha-Rhythmus und damit aus der Stammhirn-Ebene herauskatapultieren würde. Ihre Meinung darüber interessiert mich sehr. ======== die fragestellung ist interessant, aber ich bin leider nicht qualifiziert, so eine frage zu beantworten. nicht nur, weil ich neurophysioloisch zuwenig darüber weiß sondern auch, weil es sich ja letztlich um eine ethische frage handelt, und da müssen betroffene (in diesem falle Sie) im grunde selber entscheiden. was allerdings eine hilfe sein könnte: die sterbeforscherin KÜBLER-ROSS hat ja möglichkeiten entwickelt, mit schwerstkranken zu kommunizieren, u.a. um sie zu fragen ob man sie in ruhe lassen soll. sie hat ja auch festgestellt, daß viele sterbenden mit den angehörigen gerne über den bevorstehenden tod reden würden, aber durch ständiges "schlaf ein wenig, dann wird es dir besser gehen" und "bald bist du wieder auf den beinen" u.ä. merken, daß die angehörigen zuviel angst davor haben. also sterben viele, ohne die letzten dinge gesagt und geregelt zu haben. im klartext: vielleicht könnten Sie die antworten von betroffenen erfragen - der eine möchte vielleicht eher abdriften (sich aus dem cortex "zurückziehen") der andere möchte alles, sogar den tod, vollbewußt erleben, wenn helfer dies nicht verunmöglichen würden. ich meine, es wäre halt wunderbar, wenn man einzelnen die art von tod zugestehen könnte, die sie wollen. z.b. bei der geburt möchten manche mutter vollbewußt sein und lassen sich auch bei (modizinisch notwendigem) kaiserschnitt nur lokal betäuben, andere möchten die geburt lieber nicht bewußt erleben. könnte es beim tod nicht ähnlich sein? manche werden mit morphein etc. zugedröhnt - die sich dagegen nicht wehren können, andere bekommen nicht genug. übrigens hat kübler-ross (sie war ja ärztin) auch die dosierung bestimmter drogen entwickeln, mittels derer man die sterbenden schmerzfrei und doch geistig klar halten kann - wenn diese das wünschen. also ich würde Ihnen unbedingt raten, die bücher von ihr zu lesen! vfb a.feichtner PS: Neurologen, mit denen ich darüber gesprochen habe, können sich dasprinzipiell vorstellen, sind aber nicht in der Lage einen Sinn darin zusehen, den Steberozess zu unterstützen. Gilt es doch in der Medizin, das Sterben zu verhindern oder zumindest hinauszuzögern. 13.3.03 Danke, für Ihre antwort. Elisabeth Kübler Ross, die ich persönlich kenne und sehr schätze hat ohne zweifel die grundlagen für die arbeit mit sterbenden geschaffen. Ihre bücher sind natürlich standardwerke. Trotzdem sind ihre erkenntnisse inzwischen überholt, es ist bereits die übernächste generation damit befasst. der grund, warum ich Ihnen nochmal zurückmailen muss, sind zwei sätze dieich so einfach nicht stehen lassen will: "...manche werden mit morphein etc. zugedröhnt - die sich dagegen nicht wehren können, andere bekommen nicht genug. übrigens hat kübler-ross (sie war ja ärztin) auch die dosierung bestimmter drogen entwickeln, mittels derer man die sterbenden schmerzfrei und doch geistig klar halten kann.. ." - die moderne palliativmedizin hat sehr wohl genügend erkenntnisse in der tumor schmerztherapie um sicher zustellen, dass schwerkranke und sterbende menschen nicht mit "morphinen zugedröhnt" werden und bei klarer bewußtseinslage (trotz opioidtherapie!!) die ihnen verbleibende zeit individuell gestalten können. leider hat sich das offenbar noch nicht überall durchgesetzt. ======= genau darum ging es mir! das wissen nützt all denen nichts, die zugedröhnt werden. ich habe beide meiner eltern sterben sehen, mit einigen anderen patienten "drumherum", dort wußte man von alledem NICHTS. weiße, schmucklose KRANKENZIMMER ohne einen farbklecks oder ein bild, auf das die bettlägrigen schauen könnten, die in den betten leiden, bis sie erlöst werden. und das ist ein großes kreiskrankenhaus... die "dosierung bestimmter drogen" wie Elisabeth Kübler Ross sie damals propagiert hatte - ist ebenfalls längst überholt und wird wegen zu massiver nebenwirkungen nirgends mehr angewendet. Es ist ab er festzuhalten, dass die Palliativmedizin durchaus in der lage ist, weitgehende schmerzfreiheit bei gleichzeitig klarem bewusstsein für tumorkranke sicherzustellen. ====== na ja, mehr wollte sie ja nicht. also ist es möglicherweise im detail "überholt" (für Sie als fachfrau) aber für den mitdenkenden leser ist die aussage als solches doch gültig, wenn ich Sie richtig verstehe? Nochmals herzlichen dank für ihre antwort ===== gern. ist ja nicht ganz mein thema... a.feichtner |