Wie soll man besonders langweiliges Zeug pauken? 18.10.07

Sehr geehrte Frau Birkenbihl, eine Studentin, die ich coache, hat bereits ein schwieriges Studium mit großem Erfolg absolviert, hat auch im Ausland (u.a. Dubai) gearbeitet und jetzt ein neues Studium (Wirtschaftswissenschaften) begonnen. Allerdings tut sie sich zum erstenmal seit der Oberstufe Gymnasium erstmals wieder sehr schwer, weil sie Unmengen von (extrem langweiligen) Fakten pauken soll und das in einer unglaublich kurzen Zeit. Auch ihre Kommilitonen sind demotiviert. Nun hatte sie vor einiger Zeit „Birkenbihl“ entdeckt und mit Ihrer Methode Spanisch gelernt. Deshalb begann sie sich jetzt für weitere Birkenbihl-Techniken zu interessieren, für das allgemeine Lernen, um zu sehen, ob das ihr Studium irgendwie erleichtern und das sture Pauken verringern oder umgehen könnte. Sie kaufte mehrere Ihrer Bücher, stellte nun aber fest, daß sie erst mal über 600 Seiten lesen müßte (INTELLIGENTE WISSENSSPIELE, STROH IM KOPF?, TROTZDEM LERNEN). Da das Semester aber schon begonnen hat, ist das ein wenig viel. Wo/Wie kann sie einsteigen? Sie hat die Bücher inzwischen, weiß aber nicht, wo sie beginnen soll. Es stehen nämlich weitere ca. 300 Seiten Fachchinesisch an, die sie vor den Weihnachtsferien schaffen muß und langsam erschreckt sie das (obwohl sie normalerweise früher immer gerne gelesen hat). Im Augenblick fühlt sie sich total überfordert und frustriert. Können Sie helfen? Haben Sie einen Rat?
======= Wie die Chinesen wissen, beginnt auch die längste Reise mit dem ersten Schritt. Ich schlage daher vor, den langen Text ... in verdaubare „Brocken“ von je ca. 15 Seiten zu unterteilen, d.h. mal 9, mal 17 Seiten, je nachdem, wie einzelne (Unter-)Kapitel ausfallen. Jeder „Brocken“ ist ein Modul, das wir der Reihe wie folgt angehen können: Zuerst müssen wir jedes Modul zwar lesen, aber nicht „normal“. Wir lesen mit einem Auge auf Begriffe, die wir in eine ABC-Liste stecken können, die wir BEIM LESEN anlegen. Wir machen also aktive NOTIZEN, schreiben aber keinesfalls halbe/ganze Sätze ab sondern ziehen nur einzelne Begriffe heraus, die sich ins ABC zu diesem Modul eintragen lassen. Wenn wir glauben, hier oder da einmal ein kurzes Zitat herauskopieren zu wollen, dann bitte auf Karteikarten, die später SORTIERT werden können, z.b. Hierarchisieren oder Kategorisieren... Wenn wir das Modul zu Ende gelesen haben, sehen wir das ABC durch und wählen einige wenige Schlüsselbegriffe heraus, die wir als KaWa „bearbeiten“. Ein KaWa (= Wortbild) entspricht immer einem Teil-ABC, das nur jene Buchstaben bietet, die unser Schlüsselwort enthält...
Merke: Wenn man ein ABC angelegt hat, bevor man mit der KaWa-Technik beginnt, kann man das ABC bereits aktiv nutzen (= KONSULTIEREN), wenn einem bei einem Buchstaben im KaWa nichts einfallen will. Zwar klappt es nicht immer direkt, daß ABC-Begriffe 1:1 auf jeden Buchstaben des KaWa passen, aber selbst wenn nicht, löst das Konsultieren in der Regel weitere Ideen in uns aus, somit lohnt es sich meist zumindest indirekt.
An diesem Punkt beginnen wir Modul II zu lesen und diese Schritte zu durchlaufen. Wenn wir damit fertig sind, begeben wir uns zurück zu Modul I und tun folgendes:
1. Wir lesen unsere ABC-LISTE und sehen, ob wir jetzt, mit dem Wissen des 2. Moduls, neue Begriffe ins ABC von Modul einfügen wollen.
Merke: Das ABC von Modul I war ein Ausgangspunkt, es ist keinesfalls auf Inhalte von Modul I beschränkt (außer wir entscheiden dies in manchen Einzelfällen, wenn jedes Modul ein anderes Thema umfaßt).
2. Nun schauen wir nach, ob wir etwas auf eine KARTEIKARTE geschrieben hatten. Vielleicht ein kurzes Zitat, einen Merksatz u.ä. Wenn ja, dann können wir aus diesem kurzen Text einen LÜCKENTEXT machen, mit dem wir später spielen (= üben) können!
3. Nun denken wir uns einige FRAGEN zu den Inhalten des ersten Moduls aus, im Sinne einfacher Quizfragen, ehe wir zu Modul III gehen.
Wenn wir MODUL III gelesen und ABC und KaWa.s angefertigt haben, begeben wir uns ZURÜCK zu MODUL II und durchlaufen die letzten drei Schritte, ehe wir MODUL IV lesen, von dem wir aus zu MODUL III zurückgehen, um die Schritte 1 - 3 zu durchlaufen.
Dieses Vorgehen hat den Vorteil, daß wir jeweils klar überschaubare „Brocken“ bearbeiten, daß wir gerne in kurzen Schüben mit Pausen dazwischen arbeiten können. Ob wir die Pause zum „Abschalten“ nutzen und an einem anderen Thema oder Fach (Seminar, Meeting etc.) arbeiten wollen, oder ob wir einige E-Mails beantworten oder Musik hören, einkaufen, kochen etc., ist völlig egal. Wir wissen, daß wir nur einen Bruchteil unserer geistigen Arbeit bewußt durchlaufen und daß in der „Pause“ bzw. während wir an einem anderen Thema arbeiten, unser Gehirn am vorherigen weitermacht und so manches besser einsortiert. Deshalb kommen wir besser voran, wenn wir nach einem oder einigen Brocken abschalten bzw. uns ablenken, damit dieses heimliche Nacharbeiten stattfinden kann.
Außerdem sieht man, wie wunderbar man vorwärtskommt. Am ersten Tag entspricht ein Modul vielleicht weniger als 10% des Textes, aber wenn man nach ca. einer Woche zu begreifen beginnt, wie gut man sich vieles merken kann, was man nur EINMAL gelesen hatte, wird die Sache außerordentlich spannend.
Nach jeweils 6 - 7 Brocken veranstalten Sie eine Prüfungspause, in der Sie weitere Fragen zu den Inhalten formulieren und ein wenig Prüfung spielen (optimal auch als Gruppe, indem Sie sich gegenseitig „prüfen“). Wer so vorgeht kann in einer Prüfung minimal eine gute „Drei“ schreiben bzw. in einem Meeting mit einem Minimum an Herumblättern und Wühlen in den Unterlagen klarkommen.
ZWEI ZUSATZ-TIPS:
1. Wenn Sie von Anfang an zu viert sind, können Sie den zu lesenden Stoff gleich unter vier Personen AUFTEILEN, so daß jeder intensiv nur 1/4 des Sroffes bearbeiten muß, ehe er die erste „Prüfung“ zu diesem Material als Kandidat erlebt (während man zum eigenen Viertel Prüfer (bzw. Quizmaster) ist. Danach kann man ABC-Listen und KaWas anlegen etc.
2. Wenn Sie einen Teil des zu lesenden Materials absolut nicht verstehen können, weil ständig Begriffe verwendet werden, die nicht (oder schlecht) definiert wurden, gehen Sie zur ZITATE-TECHNIK (s.nächster Punkt) über. ENDE ZITAT.
Die Zitate-Technik findet Ihr Schützling KURZ erklärt in „Trotzdem LEHREN“ (bzw. Trotzdem LERNEN), aber AUSFÜHRLICH und mit Fallbeispielen in „Mehr intelligente Kopfspiele“; viel Spaß
vfb

In der Hoffnung auf Antwort, verbleibe ich, Ihre C.K., Schweiz