Singen + Musik passiv hören? 24.09.07

Sehr geehrte Frau Birkenbihl! Seit ca. einem Jahr besuche ich einen Chor und singe im Alt mit. Ichsinge gern, die Töne treffe ich auch meistens - aber ich habe das Problem, dass mich der Sopran mit seiner meist schöneren Melodie gern zu sich hinüberzieht. Und dann vergesse ich die Melodie, die ich eigentlich singen sollte. Da helfen dann die Noten auch nur wenig....... Um das Problem anzugehen, schneide ich mit einem Diktiergerät die Melodie des Alt und auch den gemeinsamen Gesang mit (keine Angst, ich habe gefragt, ob ich das machen darf). Dann habe ich versucht, diese Melodie passiv zu hören (ich habe vom Sprachenlernen mit Ihrer Methode viel Erfahrung mit passiv hören). Meine Erfahrung nach mehreren Versuchen: es klappt (zumindest bei mir) nicht! Die Melodie zieht immer meine Aufmerksamkeit auf sich.
======= was ich immer wieder sagen muß ist, daß PASSIVES HÖREN erst nach viel bewußtem auseinandersetzen sinn ergibt. erst, wenn Sie die alt-stimme als eigentständige melodie aktiv oft behört haben und auch die kombi (alt und sopran) aktiv oft genug gehört haben, können Sie passiv UNTERSTÜTZEN. passiv LERNEN aber geht nicht, nicht mit inhalten, die Sie bewußt noch verwechseln, nicht verstehen (bei sprachen) etc. überlegen Sie einmal, wie oft ein musiker ein stück übt, ehe er mit anderen zusammenspielt (also ehe er mit den anderen weiterüben kann). das sind meist tausende von malen: wenn nervenbahnen angelegt werden müssen, muß man einen gewissen aufwand treiben. daß wir passiv unterstützen heißt, daß sie vielleicht statt 3000 wiederholungen nur 300 aktive plus passiv brauchen, aber die 300 brauchen Sie halt doch!

Gute Erfahrungen habe ich allerdings mit dem aktiven Hören und mitsingen der Melodie gemacht, ev. auch mit Noten.
===== na also. das nennen wir ÜBEN, haha.

Auf diese Art und Weise habe ich viele komplizierte Melodien gelernt.
===== eben, das ist doch der schlüssel: aktives lernen. genausowenig wie passives berieseln lassen beim frontal-unterricht nicht klappt (im gegensatz zum anlegen eines aktiv-abc im unterricht) und genausowenig wie beim passiven „konsumieren“ von tv-dokus hängen bleibt, so auch bei der musik. erst AKTIV, DANN PASSIV, dann funktioniert es auch! (ich habe auch einige jahre im chor gesungen (auch alt) und ich habe auf dem langen schulweg (16 km zur schule und 16 zurück) viel aktiv geübt.... hat sich bewährt.

Ausserdem kaufe ich mir die Chorstücke auf CD und versuche - wenn ich schon ein bisschen sicher bin - auch mitzusingen. Das macht dann auc h noch großen Spass!
======= es gibt karaoke programme für spielkonsolen und pc, da kann man jedes lied „einspeichern" und dann üben. ich möchte auch so eins, weiß aber noch nicht, welches ich kaufen soll (ich will es ohne pc via fernseher nutzen). wäre so etwas vielleicht etwas?

Soviel mein Erfahrungsbericht, in diesem Bereich. Jetzt meine Frage: kann nur ich Melodien nicht passiv hören, oder ist das für viele Menschen unmöglich? Haben Sie Erfahrung mit diesem Phänomen?
======= s. oben.vfb
:-)))

Vielen Dank!

Annelie Gareis

 

28. Oktober 2007
Liebe Annelie Gareis, ich habe zwar nicht dasselbe Problem, aber vielleicht eine Anregung, damit umzugehen. Bei mehrstimmigem Chorsingen würde ich nicht die einzelne Stimme passiv hören, sondern immer den ganzen Satz, denn es handelt sich ja hier nicht um ein Zusammenspiel von Solisten, die jede/r für sich ihre Melodie singen, um sich gegenseitig abzulenken oder zu über-tönen (das wäre ein Kampf und ein Gegeneinander), sondern um die Teilnahme an einem Gesamtklang, wo das Gehörte der anderen Stimmen zu dem eigenen Gesang gehört (das Wort passt schön: ge-hören). Um dieses Problem in Ruhe kennen zu lernen, würde ich mit einzelnen Klängen probieren, d. h. z. B. nur einen Ton, der möglichst lange klingt (das könnte der erste Ton der Sopran-Melodie sein), dazu den Ton der Altstimme probieren. Vielleicht zunächst mit dem Sopran-Ton anfangen und sich dann Stufenweise oder im Glissando nach unten „jaulen“ (wie eine Sirene), bis das Gefühl für den Zweiklang als Ganzes im eigenen Kopf, Bauch, Körper – in der Seele – schwingt und dies eine wohlige Empfindung erzeugt.
Das geht natürlich auch frei ohne Vorgaben. Einfach mal probieren, was zu dem Ton passt, der da klingt. Dann eine einfache Volksliedmelodie klingen lassen und dazu frei nach Geschmack singen, mag es noch so „falsch“ klingen, das ist ganz egal, irgendwann abaer stellt sich ein Gefühl ein, was „schön“ klingt und was schräg. So würde ich mich langsam und gemütlich vortasten. Aber nicht streng üben durch Wiederholen und Einpauken! Das nervt nur und wirkt „ohrwürmig“ … Es soll von Anfang an Spaß machen. Und das tut es ja, wenn wir mit einer anderen Stimme im Zweiklang singen und schwingen.
======= hierbei ist wichtig, daß wir menschen RESONANZ benötigen, brauchen und lieben, nehmen Sie das SCHWINGEN ruhig wörtlich. das ist aber auch einer der gründe, warum chorsänger wie auch musikanten im orchester langlebiger sind als menschen ohne musik (am längsten leben dirigenten, weil wie zusätzlich noch jede menge fitneß betreiben, haha).
********** Ich habe inzwischen noch ein wenig über das Problem nachgedacht, da es zur Lösung vielleicht noch mehr zu differenzieren gilt. Die Sopranstimme singt häufig die Hauptmelodie in hierarchisch strukturierten Kompositionen, während die anderen Stimmen sich dem unterordnen. Da ist es zunächst einmal natürlich, wenn ein Mit-schwingen mit dieser (1. Stimme) angestrebt wird. Wenn es schwer fällt, die eigene Stimme, welche davon abweicht, zu halten, wäre es vielleicht besser, diese aufzunehmen und sich selbst zu-zu-hören und mit-zu-singen.
====== ausgezeichnet. auch beim CHORSPRECHEN kann man ja einige zeit lang zuhören und vorsichtig ein-STIMMEN, ehe man richtig mitmacht... interessante analogie!

Als nächsten Schritt einen Kanon (Froh zu sein bedarf es wenig, und wer froh ist, ist ein König) und zu dieser Eigenaufnahme die zweite Stimme singen usw. Ein Hauptproblem vieler Musiker ist nämlich, dass sie zwar spielen können, aber sich selbst nicht zuhören.
====== da sagen Sie was!

Vor allem dann, wenn sie zu früh in Gruppen musizieren.
====== „zu früh“ ist das SCHLÜSSELWORT!

So neigen z. B. Kleinkinder dazu, in Gruppen sehr laut zu singen und sich gegenseitig zu übertönen, einfach deshalb, da sie noch dabei sind, ihre eigene Stimme zu entdecken. Der eigene Körper bildet ja bereits einen Resonanzkörper, welcher erfahren werden will. Leider wird das vorschnell als Eitelkeit oder Egozentrik gedeutet, wenn jemand sich selbst gerne singen (oder reden) hört. Dabei ist das Voraussetzung für eine gelingende Kommunikation!
====== kennen Sie die übung, bei der man mit den handflächen riesige „ohren“ bildet (ferengi-like für trekkies) und dann spricht oder singt? man hört die eigene stimme über die „luft“ (also so, wie andere sie hören). sie klingt immer VOLLER als man sie selber hört. das macht spaß und ist extrem lehrreich...
####### Jetzt kenne ich sie, vielen Dank für den Tipp!

Wenn ich mich selbst nicht höre, kann ich auch nicht reflektieren, was ich sage, um es gegebenenfalls rechtzeitig zu ändern, bevor ich mit etwas unbedacht herausplatze.
====== deshalb habe ich ja damals, in der giga-halle KÖLN-ARENA (mit 13.800 teilnehmern) so gelitten, weil ich meine eigene stimme NICHT HÖREN KONNTE und einen vollkommen neuen vortrag halten wollte (im gegensatz zu den anderen referenten, die alle bekanntes und vertrautes vortrugen). das war das schlimmste referat, das ich je durchgestanden hatte...
####### Das glaube ich Ihnen gerne. Ich kenne das aus alten Zeiten vom Keyboard-Spielen in einer Salsa-Band bei öffentlichen Auftritten mit Verstärkung. Mir kam es vor, als spielten lauter Autisten auf der Bühne, wir mussten mit den Augen hören und konnten nur unter größter Anstrengung kommunizieren. Vielleicht haben uns einzig noch die vibrierenden Bässe körperlich spürbar verbunden ... Das Publikum hörte alles, aber wir hörten uns selbst und einander kaum.

Ich würde also grundsätzlich empfehlen, sich selbst als Solist/in sehr wichtig zu nehmen!!! Und sich selbst zu genießen, ohne schlechtem Gewissen.
===== ich stimme 100%ig zu. ich habe sowohl solo als auch im orchester gespielt, sogar in einer band, die im marschschritt die promenade in las vegas entlangmarschierte (mit 255 bands aus ganz usa) und kann nur zustimmen!

Erkenne dich selbst und deine Stimme: Be-Stimmung. Wer das tut, ist ein angenehmer Zuhörer und Gesprächspartner auch für seine Mitmenschen. (JRH)
======== deshalb rate ich meinen coaching-klienten, sich regelmäßig beim telefonieren mitzuschneiden (wer nur die eigene stimme mitschneidet, muß niemanden um erlaubnis fragen). so hört man immer wieder mal, wie man klingt. so erfuhr ich, wie aggressiv mein tonfall oft klingt...
####### Nun ja, immer würde ich das nicht gerne tun. Es muss auch erlaubt sein, seinem inneren Schweinehund Auslauf zu lassen, sonst lernen wir ihn ja nicht kennen und vor allem: lieben! Alles in Maßen ist stets eine gute Devise. Menschen, die sich beim Sprechen (und Singen) ständig kontrollieren und beherrschen, trauen sich oft nicht mehr, spontan zu sein.
====== spannend. ich hatte keinesfalls von STÄNDIG gesprochen, sondern von einmaligem oder nach dem motto „ab- und-zu einmal) HERAUSFINDEN, wie man denn so sei. das finde ich faszinierend
°°°°°°°°°°°°° da bin ich ja erleichtert ... ich las das Wort "regelmäßig" ... deshalb meine Assoziation über Regel, Maß(stab) zu immer.
====== dann können wir dies abhaken...

Aggressionen gehören zum Menschsein. Wenn wir wütend und aggressiv sind, spüren wir das auch, ohne uns aufzunehmen: oder wir sollten es.
====== trotzdem sind jene leute schwierig, die nicht ahnen, daß sie selbst aggressiv sind und daher das echo in der welt, das sie selbst auslösen, für die ursache halten. auch darüber wird man soch wohl nachdenken dürfen?!
°°°°°°°°°°°°° Ich bin vorsichtig mit Einschätzungen anderer Menschen und ihren inneren Gedanken, Gefühlen, Ahnungen, die nach außen hin (für mich) nicht sichtbar sind. Wer einem anderen keine Ahnungen zutraut, wird womöglich dazu beitragen, dass dieser seine Ahnungen tatsächlich (weiterhin) unterbuttert und gar nicht aufsteigen lassen mag.
Wenn jemand sich selbst aufnimmt, während er telefoniert, dann ist er ja bereits offen dafür, sich in Frage zu stellen, somit hat er durchaus eine Ahnung, dass er etwas tut, was ihm (noch) nicht bewusst ist. Jene, die wirklich keine, Null Ahnung haben, kämen die zu Ihnen ins Seminar?
Womöglich nur mit Tomaten in der Hand oder vor den Augen. Selbst dann würde ich eine Ahnung unterstellen! Möge sie noch so tief versteckt sein.
====== stimme voll zu.
Da verlasse ich mich lieber auf meine innere Stimme. Von jedem etwas und alles zu seiner Zeit ... die wir uns wie die Ruhe nehmen müssen.
===== Sie haben keine ahnung wie es ist, wenn man oft andere leute verletzt und es nicht einmal merkt... gut für Sie.
°°°°°°°°°°°°° (s. o.) hätte ich keine Ahnung, wären meine Zeilen zu dem Thema nicht entstanden. Welcher Art bzw. Herkunft diese Ahnung ist, geht daraus natürlich nicht hervor.
========= nun, dann hoffe ich, daß auch Sie Ihre lehren gelernt haben. und wenn jemand widerspricht, dann wissen Sie es wohl auch besser, gell?
Sonst hören wir nur die anderen (und werden aggressiv, weil wir uns -unbewusst - die anderen vom Leib halten möchten, um zu uns selbst zurück zu finden). Kreativität ohne Spontaneität ist unmöglich.
====== was hat denn kreativität und spontanität damit zu tun, daß leute, die kommunikativ oder rhetorisch professionell arbeiten, auch eine ahnung haben sollten, wie sie auf die welt WIRKEN (im doppelten sinne)?
°°°°°°°°°°°°° Eine ganze Menge, würde ich sagen! Das "was" in Ihrer Frage müssten Sie aber selbst finden.
Also, liebe Frau Birkenbihl, bleiben Sie ruhig so, wie Sie sind: ein Mensch vor allem! Es gibt keine falschen Fehler. Nur richtige.

Die Idee mit Computer-Programmen ist sicher sehr hilfreich. Ich selbst spiele (und „arbeite“) mit dem Magix Music Maker. Da lassen sich Bausteine selbst zusammenstellen (eine ganze Band!), Tonhöhen und Tempi verändern und vieles mehr. Aktiv und passiv gleichzeitig! Und das Besondere an der Musik, insbesondere der mehrstimmigen, ist ja die Gleichzeitigkeit.Ich wünsche viel Freude beim Singen (gibt es etwas Schöneres???)!
====== ein schöner beitrag, danke im namen aller mitleserInnen...
********** Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit! (JRH)
====== und wir danken für die guten gedanken...
####### Schön, dieses DANK in GeDANKen, die frei sind, wenn wir sie fliegen lassen.
======= fidirallala, fidirallale, fidiralla,ralla,ra... :-))))))
°°°°°°°°°°°°° la / la la la la la la / laa laa laa / la la la la la la / laaa - // (aus: Es tönen die Lieder)


:-))
vfb